Ein privates Lazarett

Von Christof Strauß 

 

 

Charlotte Herder

Verlegergattin
24.3.1872 – 28.4.1959

 

 

„Schrecklich ist es auch, wie der Kanonendonner jetzt zugenommen hat. … stunden- und stundenlang, und dann auf einmal: Stille, tiefe Stille. Da weiß man, daß draußen an der Front nun der Sturm losgeht, und dumpfes Entsetzen legt sich einem über die Seele.“
(Freiburg, 6. September 1915)

 

Porträtfoto von Charlotte Herder, das ihr als Soldat eingezogener Ehemann Hermann während des Krieges stets bei sich trug.(Quelle: Kriegstagebuch, Herder-Verlag Freiburg)
Porträtfoto von Charlotte Herder, das ihr als Soldat eingezogener Ehemann Hermann während des Krieges stets bei sich trug.(Quelle: Kriegstagebuch, Herder-Verlag Freiburg)

Schon früh reifte in Charlotte Herder, Tochter des in Prag lehrenden Pädagogik- und Philosophieprofessors Otto Willmann und seit 1900 Ehefrau des katholischen Freiburger Verlegers Hermann Herder (1864-1937), der Wunsch, Krankenpflegerin zu werden. So trat sie 1896 in das Carolahaus in Dresden ein, wo sich sogenannte freiwillige Schwestern über mehrere Monate zu Pflegerinnen für einen möglichen Krieg ausbilden lassen konnten. Die wohlhabende und gebildete Verlegergattin sah es folglich als Demütigung an, inmitten des allgemeinen patriotischen Treibens bei Kriegsausbruch keine Aufgabe zu haben. Die Eröffnung eines privaten sogenannten Vereinslazaretts mit 60 Betten im erst 1912 erstellten Herder-Verlagshaus unter ihrer Leitung im August 1914 brachte ihr dann aber die ersehnte, erfüllende Aufgabe. Charlotte Herders Haltung zum Kriegsgeschehen schwankte. Patriotische Bekundungen nach Siegesmeldungen finden sich in ihren Aufzeichnungen ebenso, wie Zeugnisse verzweifelt-pessimistischer Stimmungen und düster anmutende Vorahnungen zum weiteren Kriegsverlauf. Neben der Furcht vor Fliegerangriffen wurde sie vor allem von der Angst um ihren an der Front stehenden Mann beherrscht. Die Anforderungen des Alltags und ihre Tätigkeit im Lazarett forderten indessen ihren Tribut: „Was ich im Anfang nie für möglich gehalten hätte – man gewöhnte sich an den Krieg.“

Charlotte Herder erlebte auch den Zweiten Weltkrieg in Freiburg. Am 27. November 1944 wurden ihre lang gehegten Ängste Realität: Britische Bomber legten große Teile der Stadt, darunter auch das alte Wohnhaus der Familie Herder, in Schutt und Asche. Das Verlagshaus brannte aus.
 

Beinoperation unter Narkose im Lazarett Herder, rechts vorne stehend: Charlotte Herder. (Quelle: Kriegstagebuch, Herder-Verlag Freiburg))

Beinoperation unter Narkose im Lazarett Herder, rechts vorne stehend: Charlotte Herder. (Quelle: Kriegstagebuch, Herder-Verlag Freiburg))

 

 

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