Der Friedhof

von Dr. Vadim Galperin

Die Gemeinde hat ein Gelände für einen Friedhof erworben

Leider werden wir nicht jünger, und immer häufiger stellte man die Frage: „Wo beerdigen wir unsere Toten?“, zumal der Bergfriedhof fast voll belegt ist. Nun ist die traurige Frage beantwortet. Wir haben bei der Stadt im August 2015 ein Gelände für den Neuen Jüdischen Friedhof erworben. Das menschliche Leben ist einer der wichtigsten Werte im Judentum. Auf der anderen Seite wird in der jüdischen Tradition jedoch auch der Tod in den Kreislauf des Lebens mit einbezogen und, dank des grundsätzlich realistischen Blickes auf das menschliche Leben, nicht als eine Tragödie betrachtet. Er wird stets als etwas Natürliches wahrgenommen, mag die Trauer noch so groß sein. Vielleicht ist das der Grund dafür, dass der jüdische Friedhof „Bejt ha Chajim“ (Haus des Lebens) oder „Bejt ha Olam“ (Haus der Ewigkeit) genannt wird, und die Tatsache, einen eigenen Friedhof zu besitzen, zu den konstituierenden Momenten für eine jüdische Gemeinde gehört.

Das gut 4.000 qm große Gelände befindet sich in Heidelberg, Stadtteil Handschuhsheim. Die jahrelangen Bemühungen waren nicht umsonst und im September 2016 hat die Einweihung des Friedhofs stattgefunden. Die Einweihung des Neuen Jüdischen Friedhofs in Heidelberg hatte nicht nur bei uns für hohe Resonanz gesorgt, sondern auch außerhalb der Stadt.

Web-Katalog jüdischer Begräbnisstätten auf dem Bergfriedhof in Heidelberg

Es geht um die Internetseite www.memoju.de, die von der Jüdischen Kultusgemeinde Heidelberg erstellt wurde. Auf dieser Seite befinden sich Fotos der Gräber auf dem jüdischen Teil des Bergfriedhofs und die Information über die Verstorbenen. Das gibt die Möglichkeit, von einem anderen Land aus den Namen des Verstorbenen einzugeben, den Zustand seines Grabes zu sehen und wenn nötig den Dienst zur Grabpflege zu beauftragen. Es ermöglicht, Fotos Ihrer Verwandten zu veröffentlichen, ein paar warme Worte zu ihrem Gedenken zu schreiben und ein Gebet zu bestellen. Besonders wichtig ist das für ältere Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage sind, oft auf den Friedhof zu kommen. Indem wir uns um die Gräber unserer Verwandten kümmern, erweisen wir ihnen die höchste Ehre, wir pflegen damit die gute Erinnerung an sie in dieser Welt. Der Allmächtige wahrt die Erinnerung im Himmel und unsere Pflicht ist es, die Erinnerung auf Erden zu wahren. Zurzeit gibt es auf der Seite Informationen zu allen 1.000 Gräbern.

Unsere heilige Pflicht

Der Tod eines Menschen ist sein Eingang in die Unendlichkeit. Niemand verschwindet spurlos - dieser Glaube lässt uns leben. Auch das Internet ist für den normalen Menschen eine Form der Unendlichkeit - allgegenwärtig und doch ungreifbar. Wir möchten diese beiden beinahe magischen Substanzen, diese beiden Unendlichkeiten miteinander verbinden: Deshalb findet man auf dieser Website einen Katalog jüdischer Grabstätten. An wen richtet sich diese Unternehmung? Zu welchem Zweck haben wir diese Website eingerichtet? Die Antwort ist einfach: auf dass keiner vergessen werde! Und um noch zu Lebzeiten zu der Gewissheit zu gelangen, dass man auch unser gedenken werde.

Im Grunde ist der geographische Ort, an dem die sterblichen Überreste eines Menschen ihre letzte Ruhestätte gefunden haben, gar nicht das Wesentliche. Aber es ist doch, wie uns scheint, von zentraler Bedeutung, dass es möglich ist, von überall auf der Welt die Erinnerungsspuren eines konkreten Menschen selbst nach seinem Tode aufzuspüren, seiner still zu gedenken, ihm Dank oder Entschuldigung abzustatten, das Haupt zu neigen, ein Steinchen hinzulegen, ein seelisches Band zu knüpfen.

Mit der Einrichtung unseres Internet-Katalogs hat nun ein jeder diese Möglichkeit, der das Gefühl hat, zu Lebzeiten eines ihm nahestehenden Menschen etwas Wichtiges versäumt zu haben. Nun gibt es keine verpassten Gelegenheiten mehr. Auch die Chance, ungesagt Gebliebenes nachzuholen, wird zur Ewigkeit[1].

Anmerkungen

[1] Dieser Text entstand im Jahr 2019 für die Publikation „25 Jahre. Neue Synagoge mit Gemeindezentrum Heidelberg“, herausgegeben von der Jüdischen Kultusgemeinde Heidelberg.

Zitierhinweis: Dr. Vadim Galperin, Der Friedhof, in: Jüdisches Leben im Südwesten, URL: […], Stand: 20.02.2023.

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