»Der Pflug« (Hamachreschah)

Ein jüdischer Landwirtschaftsverein zur Vorbereitung auf eine Auswanderung nach Palästina (Hachschara)

von Jochen Rees

Titelblatt der Vereinsregisterakte des Amtsgerichts Freiburg über den jüdischen Landwirtschaftsverein „Der Pflug“ (Hamachreschah). Vorlage: Landesarchiv BW, StAF G 540/5 Nr. 153. Zum Vergrößern bitte klicken.
Titelblatt der Vereinsregisterakte des Amtsgerichts Freiburg über den jüdischen Landwirtschaftsverein „Der Pflug“ (Hamachreschah). [Quelle: Landesarchiv BW, StAF G 540/5 Nr. 153]

Am 27. Dezember 1918 legte der Freiburger Fabrikant Konrad Goldmann dem Amtsgericht Freiburg die Satzung eines neugegründeten jüdischen Landwirtschaftsvereins mit Namen Der Pflug (Hamachreschah) vor und beantragte die Eintragung in das Vereinsregister. Zweck des aus lediglich sieben Mitgliedern bestehenden Vereins war es, in gemeinnütziger Weise die Erziehung der jüdischen Jugend zur Landwirtschaft zu fördern.

Für die Umsetzung dieses Vorhabens erwarb Konrad Goldmann für den Verein den Markenhof, ein größeres landwirtschaftliches Anwesen in Burg im Dreisamtal. Dort entstand eines von nur wenigen Ausbildungszentren in Deutschland, in welchen, dem zionistischen Gedanken folgend, jungen Leuten vor einer Auswanderung nach Palästina die nötigen Kenntnisse für das Leben und Arbeiten in einem Kibbuz vermittelt werden sollten. In jüdischen Zeitschriften wurde für das Projekt geworben und es konnten in der Folge junge Menschen aus ganz Europa für eine Ausbildung gewonnen werden.

Die Jugendlichen lernten auf dem Markenhof ein breites Spektrum landwirtschaftlicher Tätigkeiten, vom Obst-, Getreide- und Gemüseanbau bis zur Viehhaltung. In einem angegliederten Gut am Kaiserstuhl konnten sogar Kenntnisse des Weinanbaus erworben werden. Neben der praktischen Ausbildung wurde auch theoretisches Wissen zu landwirtschaftlichen Themen sowie zu Betriebswirtschaft und Rechnungswesen vermittelt. Hebräischer Sprachunterricht, Unterweisungen in den Bereichen Hauswirtschaft und Maschinenkunde sowie Vorlesungen zu jüdischer Kultur und Geschichte vervollständigten die Ausbildung.

In einem der Gemeinschaftsräume des Markenhofs wurde auch eine kleine Synagoge für die Jugendlichen und deren Ausbilder eingerichtet. Bemerkenswert sind hier die von dem namhaften Künstler Friedrich Adler aus Laupheim gestalteten Synagogenfenster mit einer Darstellung der Zwölf Stämme Israels. Die Fenster wurden nach dem Verkauf des Markenhofs in den 30er-Jahren ausgebaut und befinden sich heute im Tel Aviv Museum of Art in Israel, Kopien davon im Museum zur Geschichte von Christen und Juden in Laupheim.

Erstmals reiste im Jahr 1921 eine Gruppe von vier Männern und drei Frauen, die eine Ausbildung am Markenhof erhalten hatten, nach Palästina, um dort in einem Kibbuz zu arbeiten und zu leben. Wie viele ihnen in den kommenden Jahren folgten, ist nicht genau bekannt, jedoch entschlossen sich wohl nur wenige Markenhöfler letztlich zu einer Auswanderung.

Bereits Mitte der 20er-Jahre geriet Konrad Goldmann und damit auch der Verein Der Pflug zunehmend in wirtschaftliche Schwierigkeiten und der Ausbildungsbetrieb auf dem Markenhof musste eingestellt werden. In einer letzten Mitgliederversammlung wurde dann am 3. Juli 1931 die Auflösung des Vereins beschlossen, da dieser seinen Zweck durch Ausbildung von circa 300 Zöglingen erfüllt hat und nunmehr eine Tätigkeit in dieser Beziehung nicht mehr entfalten kann. Konrad Goldmann überlebte den Holocaust nicht. Er musste seinen Besitz in Freiburg verkaufen und starb 1942 in dem berüchtigten Lager Drancy bei Paris im Alter von 70 Jahren.

Dieser Artikel wurde ursprünglich in den Archivnachrichten 62 (2021), Seite 40 veröffentlicht.

Zitierhinweis: Jochen Rees, »Der Pflug« (Hamachreschah), in: Jüdisches Leben im Südwesten, URL: […], Stand: 20.02.2023.

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