Mikwe in Friesenheim

Hygienestandards und religiöse Vorschriften für das israelitische Frauenbad

von Anja Schellinger

Friesenheim auf dem Gemarkungsplan von 1866 mit den Gebäuden ≫Auf der Judengass≪ am südlichen und dem Mühlbach am nordöstlichen Ortsrand. Direkt am Mühlbach lag auch die Mikwe. Vorlage: Landesarchiv BW, GLAK H-1 Nr. 515. Zum Vergrößern bitte klicken.
Friesenheim auf dem Gemarkungsplan von 1866 mit den Gebäuden "Auf der Judengass" am südlichen und dem Mühlbach am nordöstlichen Ortsrand. Direkt am Mühlbach lag auch die Mikwe. [Quelle: Landesarchiv BW, GLAK H-1 Nr. 515]

Im April 1860 stellte der Amtsvorstand des Bezirksamtes Lahr bei der Ortsbereisung in Friesenheim den abscheulichen Zustand des dortigen israelitischen Frauenbads fest. Der Amtsarzt konnte dies bei seiner Besichtigung nur bestätigen: Dieses sogenannte Bad, ein abscheuliches Loch in einem feuchten, finstern Keller, erhält sein trübes Wasser aus dem, gewöhnlich schmutzigen, Ortsbach, hat jedoch keinen Abfluß wegen seiner tiefen Lage & muß deshalb, behufs der Reinigung, jedes Mal ausgeschöpft werden, wobei, wenn solches auch geschieht, natürlich immer noch eine Menge Schlamm & Unrath zurückbleibt.

Auch wenn das Bad, wie jede Mikwe, der rituellen Reinigung und nicht der Körperhygiene diente, so war dies doch kein empfehlenswerter Zustand, da jüdische Frauen für dieses Ritual völlig nackt im Tauchbecken untertauchen müssen. So empfahl auch der Amtsarzt für die Gesundheit der armen Judenfrauen Friesenheims […] ein neues zweckmäßiges Bad zu errichten.

Die Baugeschichte der Friesenheimer Mikwe verdeutlicht beispielhaft das Bemühen vieler jüdischer Landgemeinden staatliche Vorgaben und religiöse Vorschriften mit ihren oft begrenzten finanziellen Mitteln in Einklang zu bringen.

Das beanstandete Bad befand sich im Keller der Witwe Wertheimer, später des Benjamin Haberer in der Hauptstraße 18 in Friesenheim. Bereits 1822 hatte das Ministerium des Innern auf Empfehlung des Israelitischen Oberrats Baden die jüdischen Gemeinden angewiesen, die Baderäume und das Badewasser ihrer Ritualbäder beheizbar zu machen. Die jüdische Ortsgemeinde Friesenheim argumentierte damals, sie könne sich dies nicht leisten, da sie auch noch Schulden für den Bau der Synagoge abzutragen hätten. So dauerte es noch 15 Jahre, bis sie den Erlass umgesetzt hatte und dies nur notdürftig, indem sie einen kleinen Kupferkessel anschaffte.

1860 waren das zuständige Bezirksamt und der Bezirksrabbiner in Schmieheim weniger geduldig und mehr darauf bedacht, alle hygienischen und religiösen Vorschriften einzuhalten. Auch wenn die Gemeinde wieder von ihrer großen Armut sprach, dem Mangel an Bauplätzen oder den schlechten Witterungsverhältnissen, dauerte es diesmal nur zwei Jahre, bis man die Vorgaben umsetzte und ein Bad direkt am Mühlbach errichtet wurde. Die jüdische Gemeinde hätte das neue Bad lieber in die Scheune neben der Synagoge eingebaut und nur mit Regenwasser befüllt, was billiger gewesen wäre. Bezirksamt, Bezirksrabbiner und die Bezirksbauinspektion waren jedoch der Meinung, dass dabei die Gefahr bestünde, dass sich in regenarmen Zeiten nicht genügend Wasser ansammeln würde. Die religiösen Vorschriften besagen, dass eine Mikwe mit lebendigem Wasser befüllt werden muss. Ein Fließgewässer ist lebendig, auch Grundwasser oder Regenwasser, das sich angesammelt hat. Das Wasser des Mühlbachs sollte jedoch mit Pumpen ins Tauchbecken eingeleitet werden. Dies erlaube das Ritual – so der Bezirksrabbiner – aber nicht. Befände sich bereits Regenwasser im Becken, würde das über die Pumpe eingeleitete Wasser durch die Berührung mit diesem ebenfalls lebendig. Das Regenwasser dürfe aber nicht zu lange stehen, trug die Bezirksbauinspektion Offenburg bei, sonst faule es. So wurde das neue Friesenheimer Ritualbad mit einem Regenwassersammelbecken, einer Pumpzuleitung vom Mühlbach sowie mit einem Ablauf in den Bach ausgestattet. Im August 1862 war das neue Bad endlich fertiggestellt. Heute steht auf den Fundamenten des ehemaligen jüdischen Frauenbads eine einfache Garage.

Die Gesamtansicht des Friesenheimer Gemarkungsplans finden Sie hier.

Dieser Artikel wurde ursprünglich in den Archivnachrichten 62 (2021), Seite 32–33 veröffentlicht.

Zitierhinweis: Anja Schellinger, Mikwe in Friesenheim, in: Jüdisches Leben im Südwesten, URL: […], Stand: 20.02.2023.

Suche