Gleichstellung in Baden

von Uri R. Kaufmann

Huldigung der Mannheimer Juden, 1803. Die Mannheimer Juden huldigten 1803 ihrem neuen Landesherrn, dem Kurfürsten von Baden. In ihrer Synagoge führten sie eine von Musikinstrumenten begleitete Zeremonie durch, was für den jüdischen Gottesdienst bis dahin unüblich war. Pergament in rotem Samteinband. (Quelle: Landesarchiv BW, GLAK, HFK-HS Nr. 189. Eigentümer: Markgraf von Baden.)

Huldigung der Mannheimer Juden, 1803. [Quelle: Landesarchiv BW, GLAK, HFK-HS Nr. 189. Eigentümer: Markgraf von Baden]

Nach längeren Debatten hatte die französische Nationalversammlung im September 1791 der Gleichstellung der Juden ohne Vorbedingungen zugestimmt. Diese galt auch in den 1798 an Frankreich angeschlossenen Gebieten, also der benachbarten linksrheinischen Pfalz, beispielsweise in Speyer. Napoleon regelte 1802/03 die Beziehungen zur katholischen und evangelischen Kirche. 1808 gründete er „consistoires israelites“, die die jüdische Gemeinschaft zu kontrollieren und „zur Aufklärung“ zu führen hatten. Basis war ein Honoratiorensystem. Die auf zehn Jahre befristete Verordnung, dass nur Juden ein Moralitätspatent für den Handel zu lösen hatten, stellte jedoch einen Einschnitt in ihre rechtliche Gleichstellung dar.

In Baden wollten die führenden Politiker und Beamten die Juden „umerziehen“ und zum Handwerk und zur Landwirtschaft führen, da ihr bisheriger Kleinhandel ihnen als unproduktiv galt. Juden wurden in einem Konstitutionsedikt vom 13. Januar 1809 als „Untertanen“ – nicht mehr als Schutzjuden – und ihre Religion als „konstitutionsmäßig aufgenommen“ bezeichnet. Nach französischem Vorbild wurde ein „Oberrat der Israeliten Badens“ geschaffen. Im Gegensatz zu den alten Landesjudenschaften musste dieser keine Steuern unter den Juden eintreiben. Der Großherzog berief die Mitglieder des Oberrats der Israeliten aus den führenden Familien und setzte ihm 1812 einen christlichen Kommissär vor. Der Oberrat sollte die Juden zu „produktiven“ Berufen und moderner Bildung führen. Das badische Vorbild ahmten Württemberg 1828/31 und Mecklenburg-Schwerin 1834 nach.

Großherzog Karl Friedrich von Baden (1728-1811). Der Großherzog von Baden gewährte 1809 das Edikt über die Juden. Kupferstich. Ohne Datum. (Quelle: Landesarchiv BW, GLAK, J-AA-K Nr. 43.)
Großherzog Karl Friedrich von Baden (1728-1811).
Der Großherzog von Baden gewährte 1809 das Edikt über die Juden.
Kupferstich ohne Datum. [Quelle: 
Landesarchiv BW, GLAK, J-AA-K Nr. 43.]

Juden konnten sich jetzt lokal einbürgern, durften aber auch danach keine „direktiven“ Stellen im Staat oder in der Kommune einnehmen. So mussten sie weiter um ihre volle Gleichstellung kämpfen. Ein unbeugsamer Gegner der Emanzipation war der Freiburger Frühliberale Karl von Rotteck (1775–1840). Beharrlich reichten die badischen Juden zwischen 1831 und 1846 Petitionen auf Gleichstellung ein, bis sich dafür in der Zweiten Kammer des badischen Landtags eine liberale Mehrheit fand. Der Mannheimer Liberale Friedrich Daniel Bassermann (1811–1855) trug das Anliegen 1846 vor. Durch die antijüdischen Ausschreitungen im Revolutionsjahr 1848 wurde die Sache jedoch für die Politiker zu einem heißen Eisen. Erst 1859 entschlossen sich daher Ministerpräsident August Lamey (1816–1896) und der Großherzog, die Gleichstellung durchzuführen. 1862 wurde eine Frist von zehn Jahren zur lokalen Einbürgerung gesetzt und alle Einschränkungen wurden abgeschafft.

Baden war nach Hamburg der zweite deutsche Staat, der die Emanzipation einführte. Besonders lange dauerte es dagegen im liberalen schweizerischen Kanton Aargau, wo die Juden von Endingen und Lengnau erst 1879 Ortsbürgerrechte erhielten.

Dieser Artikel wurde ursprünglich im Ausstellungskatalog Gleiche Rechte für alle? Zweihundert Jahre jüdische Religionsgemeinschaft in Baden 1809-2009, hg. von Landesarchiv Baden-Württemberg, Ostfildern 2009, auf S. 50 veröffentlicht.

Zitierhinweis: Uri R. Kaufmann, Gleichstellung in Baden, in: Jüdisches Leben im Südwesten, URL: […], Stand: 03.09.2021.

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