Restitution und Entschädigung

Beitrag aus der Ausstellung „Ausgrenzung - Raub – Vernichtung“ des Staatsarchivs Ludwigsburg und des Gedenkstättenverbunds Gäu-Neckar-Alb e. V.

Unter den westlichen Alliierten war Konsens, dass zu Unrecht erworbenes Eigentum nach Kriegsende rückerstattet werden musste. Man konnte sich jedoch nicht auf ein einheitliches Vorgehen einigen. Umstritten war besonders der Umgang mit erbenlosem Vermögen. Jüdische Organisationen formulierten dafür einen Anspruch des gesamten jüdischen Volkes. Nur die amerikanische Militärregierung akzeptierte diese Forderung.

Die deutschen Vertreter im neugebildeten Länderrat waren nicht gewillt, die bis 1945 begangenen Untaten umfassend zu prüfen und aufzuarbeiten. Man war der Auffassung, dass allein der NS-Staat und seine Organisationen für die begangenen Verbrechen verantwortlich seien. In dieser Situation erließ die amerikanische Militärregierung 1947 das Militärregierungsgesetz Nummer 59. Es bestimmte, dass unrechtmäßig erworbenes Vermögen rückzuerstatten sei. Die französische Militärregierung folgte mit einer eigenen Verordnung.

Ebenfalls auf Initiative der Amerikaner wurde 1949 ein Gesetz zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts verabschiedet. Es regelte Entschädigungen für den Verlust an Freiheit, Gesundheit, für verhindertes berufliches Fortkommen und für gezahlte Sonderabgaben. Bis zum Bundesentschädigungs- Schlussgesetz 1965 wurden auf dieser Grundlage weitere Bestimmungen eingeführt.

Beweisunterdrückung und Demütigungen

Bei der Rückerstattung von Immobilien und Unternehmen konnten mit Grundbüchern und Handelsregistern die ehemaligen Besitzverhältnisse belegt werden. Die meisten Fälle endeten mit einem Vergleich. Die rechtmäßigen Besitzer, die meist im Ausland lebten, verzichteten oft darauf ihre Häuser und Firmen in Deutschland wieder zu übernehmen.

Schwierig war es bei Barvermögen oder Hausrat, da die früheren Eigentümer belegen mussten, was sie ursprünglich besessen hatten. In vielen Fällen wurden von den Finanzämtern Listen über geraubte Güter als Beweismittel unterdrückt. Oft bearbeiteten Beamte, die an der Durchführung der Ausraubung beteiligt gewesen waren, die Entschädigungsanträge und feilschten mit den Erben über das Todesdatum der Ermordeten. In den Formularen wurden weiter rassistische Kategorien verwendet. Anträge wurden verschleppt, und schließlich formierten sich die Profiteure der Ausraubung und stellten sich als die eigentlichen Opfer dar, wenn es an Rückgaben oder Nachzahlungen ging.

Erst durch die von den Alliierten 1947/49 erlassenen Gesetze und Verordnungen wurde das an den jüdischen Familien begangene Unrecht von deutscher Seite anerkannt. Allerdings wurde der Kampf um eine Entschädigung für Betroffene häufig zum entwürdigenden Kleinkrieg mit den bundesdeutschen Behörden.

Podcast-Folgen zur Entschädigung aus der Reihe „Sprechende Akten“

 Suse Rosen [Quelle: Landesarchiv BW, StAL E 18 VI Bü 1628 Bild 20, Foto: Atelier Hanni Schwarz]  
Suse Rosen [Quelle: Landesarchiv BW, StAL E 18 VI Bü 1628 Bild 20, Foto: Atelier Hanni Schwarz]

Um diesen Kampf der Betroffenen um eine Entschädigung geht es in der Podcast-Reihe „Sprechende Akten“. Hören Sie hier die Geschichten einer Tänzerin, eines Opernsängers und einer Kioskbetreiberin:

Suse Rosen und Hermann Horner. Eine Tänzerin und ein Opernsänger im Visier der Nationalsozialisten:

 

Jette Frankfurter. Eine jüdische Rentnerin und die Debatte um ihre Haftentschädigung:

 

Sprechende Akten ist eine Produktion des Landesarchivs Baden-Württemberg. Umgesetzt von WE ARE PRODUCERS in Zusammenarbeit mit POOL ARTISTS. Gefördert vom Bundesministerium der Finanzen.

Literatur

  • Eger-Heiß, Bettina, Das Ende der Geschäftshäuser Max Blochert und Bermann & Wälder in den Restitutionsverfahren des Rottweiler Landgerichts, in: Ausgrenzung. Raub. Vernichtung. NS-Akteure und „Volksgemeinschaft“ gegen die Juden in Württemberg und Hohenzollern 1933 bis 1945, hg. von Heinz Högerle/Peter Müller/Martin Ulmer, Stuttgart 2019, S. 521-532.
  • Högerle, Heinz, Restitution am Beispiel der Horber Familie Esslinger. Deprimierendes Ergebnis, in: Ausgrenzung. Raub. Vernichtung. NS-Akteure und „Volksgemeinschaft“ gegen die Juden in Württemberg und Hohenzollern 1933 bis 1945, hg. von Heinz Högerle/Peter Müller/Martin Ulmer, Stuttgart 2019, S. 515-518.
  • Högerle, Heinz, Wie das Bundesrückerstattungsgesetzt diskriminierte. Entschädigung für Ausraubung im Ausland am Beispiel der Familie Wälder aus Horb, in: Ausgrenzung. Raub. Vernichtung. NS-Akteure und „Volksgemeinschaft“ gegen die Juden in Württemberg und Hohenzollern 1933 bis 1945, hg. von Heinz Högerle/Peter Müller/Martin Ulmer, Stuttgart 2019, S. 533-540.
  • Högerle, Heinz, Wilde Restitution nach Kriegsende am Beispiel Horb, in: Ausgrenzung. Raub. Vernichtung. NS-Akteure und „Volksgemeinschaft“ gegen die Juden in Württemberg und Hohenzollern 1933 bis 1945, hg. von Heinz Högerle/Peter Müller/Martin Ulmer, Stuttgart 2019, S. 507-514.
  • Kleemann, Claudia, Adolf Wiesenbacher. Ein langer Weg zum Recht, in: Ausgrenzung. Raub. Vernichtung. NS-Akteure und „Volksgemeinschaft“ gegen die Juden in Württemberg und Hohenzollern 1933 bis 1945, hg. von Heinz Högerle/Peter Müller/Martin Ulmer, Stuttgart 2019, S. 519-520.
  • Kleemann, Claudia, Die fristlose Entlassung des württembergischen Staatsbeauftragten für die Wiedergutmachung. Dr. Otto Küster, in: Ausgrenzung. Raub. Vernichtung. NS-Akteure und „Volksgemeinschaft“ gegen die Juden in Württemberg und Hohenzollern 1933 bis 1945, hg. von Heinz Högerle/Peter Müller/Martin Ulmer, Stuttgart 2019, S. 501-505.
  • Kleemann, Claudia/Störzinger, Fabienne, Rückerstattung und Entschädigung. Gesetze und Praxis nach 1945 in Deutschland und Württemberg, in: Ausgrenzung. Raub. Vernichtung. NS-Akteure und „Volksgemeinschaft“ gegen die Juden in Württemberg und Hohenzollern 1933 bis 1945, hg. von Heinz Högerle/Peter Müller/Martin Ulmer, Stuttgart 2019, S. 493-500.
  • Scherer, Irene/Schröter, Welf, Die Besitzergreifung der Pausa in Mössingen und das Ende verklärender Legendenbildungen, in: Ausgrenzung. Raub. Vernichtung. NS-Akteure und „Volksgemeinschaft“ gegen die Juden in Württemberg und Hohenzollern 1933 bis 1945, hg. von Heinz Högerle/Peter Müller/Martin Ulmer, Stuttgart 2019, S. 541-549.

Zitierhinweis: Staatsarchiv Ludwigsburg/Gedenkstättenverbund Gäu-Neckar-Alb, Restitution und Entschädigung, in: Jüdisches Leben im Südwesten, URL: […], Stand: 20.02.2023.

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