Entwicklung des Judentums in Württemberg nach 1945

Beitrag der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württembergs

 Die neue Synagoge in der Firnhaberstraße in Stuttgart, 1964 [Quelle: Landesmedienzentrum, Foto: Dieter Jaeger]  
Die neue Synagoge in der Firnhaberstraße in Stuttgart, 1964 [Quelle: Landesmedienzentrum, Foto: Dieter Jaeger]

In Stuttgart selbst hatten nur 24 Juden die „Shoah“ überlebt, wie der Holocaust im Judentum genannt wird. Auch unter den Überlebenden der Konzentrationslager und Ghettos, den sogenannten Displaced Persons (DP), befanden sich nur wenige ehemalige Württemberger Juden.

Besondere Bedeutung bei der Wiedergründung einer jüdischen Gemeinde kommt Rabbiner Herbert S. Eskin zu, der als Militärrabbiner mit der 100. Division der US-Armee nach Stuttgart gekommen war und der die Wiederbelebung der jüdischen Gemeinde von Anfang an vorantrieb. 1948 erfolgte die Wiederankerkennung der IRGW (damals noch IKVW) als Körperschaft des öffentlichen Rechts.

Bedingt durch das Stuttgarter DP-Lager wuchs die Zahl der Gemeindemitglieder der IRGW kurzzeitig auf über 1.500 Mitglieder an, doch die meisten der DPs hatten keinerlei Bezug zu Württembergs, so dass ihnen Stuttgart nur als Zwischenstation auf dem Weg nach Palästina oder in die USA diente. Bis Anfang der 50er-Jahre sank die Zahl der IRGW-Mitglieder somit wieder auf unter 1.000.

Am 13. Mai 1952, zu diesem Zeitpunkt verzeichnete die IRGW gerade einmal noch 512 Mitglieder, wurde die neue Synagoge in der Stuttgarter Hospitalstraße eingeweiht. Die Mitgliederzahl blieb bis Anfang der 90er-Jahre nahezu konstant, bis mit der Zuwanderung sogenannter „jüdischer Kontingentflüchtlinge“ die Anzahl der IRGW-Mitglieder sprunghaft auf über 3.000 anstieg.

Mit der Neuzuwanderung stand die IRGW vor ganz neuen Herausforderungen. Nur wenige der Neuzuwanderer hatten in der ehemaligen Sowjetunion aktiv an einem Gemeindeleben teilnehmen können, so dass die IRGW eine doppelte Integration in die deutsche Gesellschaft einerseits und in die jüdische Gemeinde andererseits leisten musste. Erschwert wurde diese Aufgabe durch die flächendeckende Verteilung der Zuwanderer auf ganz Württemberg. Als Anlaufpunkte wurden sogenannte „Zweigstellen“ in einer Reihe von Städten Württembergs eingerichtet, unter anderem in Ulm (2002), Heilbronn (2006), Reutlingen (2003), Heidenheim und Weingarten. 2012 konnten Gemeindezentren in Esslingen und Ulm eröffnet werden, im Jahr darauf kamen Zweigstellenräume in Aalen hinzu.

Weitere maßgebliche Weichenstellungen für die Festigung jüdischen Lebens in Württemberg waren die Einrichtung eines synagogennahen, betreuten Seniorenwohnens in Stuttgart (1999), die Überführung des jüdischen Religionsunterrichts von der Versuchs- in die Regelform (2005) und die Wiedereröffnung der Jüdischen Grundschule Stuttgart (2008).

Die IRGW verfügt aktuell über drei Rabbiner, die die Mitglieder der Gemeinde in Württemberg betreuen. Rabbiner Yehuda Pushkin ist als Ortsrabbiner für Stuttgart zuständig, zugleich die mit Abstand größte jüdische Ortsgemeinde in Baden-Württemberg. Um die Gemeindemitglieder in Ulm und Ost-Württemberg kümmert sich Rabbiner Shneur Trebnik als Ulmer Ortsrabbiner der IRGW, der seit 2020 auch zugleich die Funktion des Polizeirabbiners für Württemberg innehat. Die Mitglieder in den weiteren Zweigstellen, insbesondere in Esslingen, Reutlingen und Heilbronn werden durch Rabbiner Mark Pavlovsky als sogenannter mobiler Gemeinderabbiner rabbinisch betreut.

Literatur

  • Sauer, Paul/Hosseinzadeh, Sonja, Jüdisches Leben im Wandel der Zeit. 170 Jahre Israelitische Religionsgemeinschaft. 50 Jahre neue Synagoge in Stuttgart, hg. von Israelitische Religionsgemeinschaft Württembergs KdöR, Gerlingen 2002.

Zitierhinweis: Israelitischen Religionsgemeinschaft Württembergs, Entwicklung des Judentums in Württemberg nach 1945, in: Jüdisches Leben im Südwesten, URL: […], Stand: 20.02.2023.

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