Die jüdische Gemeinde seit der Wiedergründung 1995

von Leonid Slavutsky

Am 5. März 1995 haben sich 35 Menschen jüdischen Glaubens in Lörrach zusammengesetzt und entschieden, die jüdische Gemeinde, welche 1938 zerschlagen wurde, wieder aufzubauen. Diese Idee von der Wiedergeburt der Lörracher Gemeinde kam hauptsächlich von Rabbiner Soussan und seiner Frau Anna Soussan, welche in dieser Zeit die 1. Vorsitzende der Gemeinde Freiburg war.

Viele der Juden von Lörrach und Umgebung besuchten regelmäßig die Freiburger Gemeinde und da immer mehr Kontingentflüchtlinge aus den GUS-Ländern hinzukamen, war die Gemeinde in Freiburg bald zu klein. Familie Soussan organisierte eine „Lörracher Gruppe“, die den Aufbau und die Gründung einer neuen Gemeinde organisierte.

Zuerst benötigten sie Räume, um ihre Feiertage und Sabbat begehen zu können. Schnell waren die Räume in Lörrach am Marktplatz über der Bank gefunden, wo ehemals die Synagoge stand.

Finanziell unterstützt wurde die Gemeinde in dieser Zeit von der Gemeinde Freiburg, von der sie auch die erste Satzung übernommen hat. In der ersten Hauptversammlung war auch schnell die neue Vorstandschaft gewählt: Dr. Ambar, 1. Vorsitzender, sowie Dr. Weinberg und Hanna Scheinker als stellvertretende Vorsitzende.

Die neu gegründete Gemeinde entwickelte sich sehr schnell. Viele neue Mitglieder aus den GUS-Ländern kamen hinzu, die die Gemeinde mit vielen Behördengängen und Wohnungssuchen beschäftigten. 1997 fanden bereits die nächsten Vorstandswahlen statt und der neue Vorstand setzte sich wie folgt zusammen: 1. Vorsitzender Dr. Weinberg, stellvertretende Vorsitzende Jürgen Fuhl und Hanna Scheinker.

Finanziell unterstützt wurde die IKG Lörrach durch den Oberrat der IRG Baden. 1998 wurden die Gebetsräume bereits zu klein, so dass der damalige 1. Vorstand Dr. Weinberg größere Räume in Lörrach suchte. Gefunden hat er diese dann in der Tumringer Straße 270 (ehemaliges Arbeitsamt), in welchem sich die IKG Lörrach auch heute noch befindet.

Bei den Vorstandswahlen im Jahr 2001 gab Dr. Weinberg seinen Vorsitz altersbedingt an Peter Weis weiter. Bei der Vorstandsarbeit wurde Herr Weis dabei tatkräftig von seinen Stellvertreterinnen Hanna Scheinker und Vera Fuhl unterstützt. Das Hauptanliegen von Herrn Weis war eine eigene Synagoge für die Gemeinde.

Diesen Traum hat er von Herrn Dr. Weinberg übernommen und viele Aktionen und Gespräche mit der Stadt Lörrach für den Bau einer Synagoge durchgeführt. Auch die religiöse und kulturelle Arbeit wurde von Herrn Weis ausgeweitet. So wurde unter seinem Vorsitz das Treffen von 3 Religionen (Christen, Moslems und Juden) ins Leben gerufen. Im September 2003 verstarb Herr Weis nach langer und anstrengender Krankheit. Der derzeitige Vorstand setzt sich aus Hanna Scheinker, Wolfgang Fuhl und Anne Schneider zusammen.[1]

Bei dem Aufbau der Gemeinde wurde sie aber nicht nur von Freiburg oder vom Oberrat unterstützt. Auch christliche Nachbarn halfen beim Aufbau. Mit vielen Sachspenden von Stühlen, Tischen, Geschirr und so weiter haben sie den Gemeindeaufbau erst richtig ermöglicht. Auch bei den Sprachkursen wurde die Gemeinde unterstützt, vor allem von Frau Schulerus aus Kandern.

Bei der religiösen Durchführung von Feiertagen und Sabbat war vor allem Rabbiner Rappaport aus Basel eine große Hilfe. Er lehrte den Lörracher Gemeindemitgliedern, besonders den Männern, richtig zu beten, Tora zu lesen und die jüdische Geschichte. Im Herbst 2000 führte er in der Synagoge in Basel einen Sabbat für die Lörracher Mitglieder durch, welches für diese ein unvergessliches Ereignis werden sollte. Gerade die Mitglieder aus den GUS-Ländern, denen es bisher in ihren Heimatstaaten verboten war ihre Religion auszuüben, bekamen nun die Möglichkeit sich zu ihrer Religion zu bekennen und diese auch zu praktizieren. Moshe Amar, der im Jahr 2002 nach Köln verzogen ist, hat in den ersten Jahren auch bei der Durchführung des Sabbats sehr geholfen.

Ab 2002 bis heute übernahm dann Benito Gutmacher die Stelle als Vorbeter. Um die religiöse Arbeit der Gemeinde weiter auszubauen, wurde im November 2003 ein junger talentierter Rabbiner, Moshe Flomenmann, eingestellt, der vor allem den Jugendlichen viel Aufmerksamkeit schenkte. Auch bei religiösen Fragen wurde er kontaktiert und bei Krankenbesuchen älterer Menschen. Am 1. Juni 2004 verließ Rabbiner Flomenmann Lörrach, da er eine Stelle als Landesrabbiner von Sachsen-Anhalt angeboten bekam.[2]

Die Arbeit in der noch sehr jungen Gemeinde wurde mit den Jahren immer interessanter und vielfältiger. Mittlerweile gibt es ein Orchester, einen Chor mit vielen Solisten, welche bereits erfolgreiche Auftritte in Lörrach und Umgebung vorweisen können, sowie eine Kindertanzgruppe namens „Simcha“, die bereits große Auftritte in ganz Deutschland hatte und beim Festival „Brennende Lichter“ in Hamburg den 1.Platz für traditionelle Tänze gewann. Außerdem bietet die Gemeinde ihren Mitgliedern Hebräisch-Sprachkurse, Schachturniere, literarische Abende, PC-Kurse, viele Reisen zu historischen Stätten und Besuche anderer jüdischer Gemeinden in Baden-Württemberg. Viele Angebote der Gemeinde werden vom eigenen Frauenclub „Menora“ organisiert.

Die größte und zugleich auch schwierigste Aufgabe besteht jedoch in der Integration und religiösen Heranführung der immer wieder neu hinzukommenden Mitglieder aus den GUS-Ländern, welche vor allem in weltlichen und religiösen Fragen beraten werden.

Mit nun schon fast 400 Mitgliedern werden auch diesmal wieder die Räume für die Gemeinde Lörrach zu klein, so dass alle hoffen, dass mit dem Bau der neuen Synagoge bald begonnen werden kann und dass dies vielleicht einen kleinen Beitrag zur Erweiterung des kulturellen und religiösen Lebens in Lörrach darstellt.[3]

Anmerkungen

[1] Dieser Text entstand im Jahr 2007 für die Publikation „Jüdisches Leben in Lörrach“ und ist in Band 7 der Lörracher Hefte erschienen.

[2] Im Jahr 2011 kam Moshe Flomenmann als Ortsrabbiner zurück nach Lörrach und wurde 2012 zudem Landesrabbiner von Baden.

[3] Die neue Synagoge in Lörrach wurde im Jahr 2008 eingeweiht.

Zitierhinweis: Leonid Slavutsky, Die jüdische Gemeinde seit der Wiedergründung 1995, in: Jüdisches Leben im Südwesten, URL: […], Stand: 20.02.2023.

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