Jüdische Kulturtage Mannheim

Ein Interview von Eva Rincke, durchgeführt am 29. September 2022

Die jüdische Gemeinde Mannheim ist ja auch im kulturellen Bereich in der Stadt Mannheim sehr aktiv. Sie veranstaltet Konzerte, Ausstellungen, Lesungen – die jüdischen Kulturtage Mannheim.

Rita Althausen: Wenn wir Veranstaltungen organisieren, dann meistens gemeinsam mit der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit, der deutsch-israelischen Gesellschaft und in Zusammenarbeit mit der Stadt Mannheim. Besonders das Amt für Integration und Migration unterstützt diese Arbeit. Das war jetzt auch ganz bedeutend für die Ausrichtung der jüdischen Kulturtage, die ja alle drei Jahre stattfinden. Im Oktober 2021 ist es uns gelungen, sie trotz Corona durchzuführen. Es war wirklich wieder ein ganz großes Ereignis und wurde sehr gut angenommen. Das Programm war umfangreich und vielfältig.

Dann ist das ja auch eine ganz aktive Möglichkeit gegen Antisemitismus vorzugehen?

Rita Althausen: Ja, und um Vorurteile abzubauen. Um zu zeigen, dass das Judentum sich nicht allein durch die Shoa definiert. Die ist natürlich bei uns immer im Bewusstsein präsent und darauf wird auch bei den Kulturtagen immer wieder verwiesen.

Das Gesher Ensemble aus Frankfurt trug Lieder aus den 20er- und 30er-Jahren vor. Das war ein Genuss. Alle Komponisten waren Juden. Die Leiterin, Simone Hofmann, erzählte die Geschichten zu den einzelnen Liedern: Wie die Musik entstand, wer komponierte, wer den Text dazu geschrieben hatte, welches Leiden die Komponisten dann ertragen mussten. Viele wurden im KZ interniert, wenn ihnen nicht vorher die Flucht gelungen war. Manche konnten fliehen, aber die meisten wurden leider ermordet.

Da spielt die Shoa auch eine Rolle, die kann man einfach nicht außen vor lassen. Aber wir definieren uns nicht nur durch die Shoa. Denn das Judentum hat so viel zu bieten, auf philosophischem Gebiet, wissenschaftlichem, kulturellem, literarischem, musischem. Das sind Aspekte, die so viele Denkanstöße ergeben und die Reflektion anregen, was wir auch vermitteln wollen.

Das aktive Judentum, das es Gott sei Dank jetzt wieder gibt, natürlich immer im Bewusstsein dessen, was geschehen ist, ist lebendig. Was sind denn schon hundert Jahre in der Menschheitsgeschichte. Nichts. Von daher ist die vergangene Geschichte auch immer präsent. Aber es gibt auch das lebendige Judentum, für das man was tun muss. Das man erhalten muss. Das man schützen muss. Für das man einstehen muss. Das man verteidigen muss. Und das sich auch zeigen kann: Denn es hat was zu bieten. Das ist wichtig. Da gibt’s noch so viel, was gar nicht bekannt ist. Da sind wir ja auch dabei, das zu bewegen und auf die Bühne zu bringen, der Öffentlichkeit zu präsentieren. Da ist noch viel Gesprächsbedarf und da kann man noch vieles, vieles machen.

Lesen Sie hier weiter.

Rita Althausen war zwischen 2019 und 2022 1. Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Mannheim. Sie ist seit vielen Jahren Delegierte im Oberrat der IRG Baden und aktuell Beisitzerin im Vorstand der IRG Baden.

Zitierhinweis: Rita Althausen/Eva Rincke, Interview mit Rita Althausen, in: Jüdisches Leben im Südwesten, URL: […], Stand: 20.02.2023.

Suche