Der Brief von Rainer Maria Rilke an Alexander von Bernus vom 30.12.1918 gehört zur Autographen-Sammlung der Badischen Landesbibliothek in Karlsruhe, Quelle: Badische Landesbibliothek Karlsruhe, K 2893, 17 CC-BY-Lizenz (4.0) https://bit.ly/3CRozse

Ende letzten Jahres gab es eine Überraschung als bekannt wurde, dass der umfangreiche Nachlass des Dichters künftig im Deutschen Literaturarchiv in Marbach verwahrt wird. Er befand sich in Privatbesitz und umfasst rund 10.000 handgeschriebene Seiten, bestehend aus Manuskripten, Briefen, Notizen, dazu Tagebücher, eine Bibliothek und zahlreiche Fotos. Allein 2.500 Briefe hat Rilke selbst verfasst. Die Themen des Austauschs mit literarischen Kollegen aber auch Politikern und anderen Zeitgenossen sind noch weitgehend unbekannt. Sie enthalten vielschichtige Aspekte aus der Zeit zu Beginn des 20. Jhs.

Rilke führte ein ruheloses Leben mit mehreren Ortswechseln. Zu den wichtigsten Stationen gehören Prag, wo er am 4. Dezember 1875 geboren wurde und europäische Metropolen wie Berlin, Paris, München oder Wien sowie die Künstlerkolonie Worpswede. Er unternahm viele Reisen, unter anderem nach Russland. Urlaubsaufenthalte führten ihn zweimal in den Südwesten. 1897 kam er auf Einladung eines Studienfreundes nach Konstanz. 1909 fuhr Rilke zur Erholung nach Bad Rippoldsau in den Schwarzwald. Die letzten Jahre verbrachte er im Wallis, bevor er wegen seiner Leukämieerkrankung verschiedene Sanatorien aufsuchen mussste. Rilke starb am 29. Dezember 1926 in Valmont bei Montreux. Es ist ungewöhnlich, dass die neu hinzugekommenen Unterlagen des Literaturarchivs ausgerechnet aus Gernsbach stammen. Hier wohnte der Sohn der einzigen Tochter, Ruth Sieber-Rilke, aus der Ehe mit der Bildhauerin Clara Westhoff (1875-1954). Rilke hatte kaum Kontakt zu Ruth und entfremdete sich kurz nach ihrer Geburt von seiner Familie. Ruth Sieber-Rilke kam 1949 von Weimar nach Fischerhude in Niedersachsen, wo sie bis zu ihrem Tod lebte. Anschließend betreuten Christoph Sieber-Rilke und seine Frau Hella den Nachlass in Gernsbach. Ebenfalls erstaunlich ist der Umfang des Nachlasses, von dem trotz der zahlreichen Umzüge ein Großteil erhalten blieb. Mehr zum Nachlass finden Sie auf der Homepage des Deutschen Literaturarchivs https://bit.ly/3H8G5uq, weitere Autographen der Badischen Landesbibliothek auf LEO-BW unter https://bit.ly/3w4JZye.

 

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Hals- und Beinbruch

Vom Skispringen in Wildbad

Skispringen, Aufnahme aus dem Fotoarchiv Blumenthal/von Schoenebeck, Bad Wildbad, o.D. [vor 1940], Quelle: Landesarchiv BW, HStAS J 312 Nr. 1, Bild 51

Nur bei genauerem Hinschauen ist der Skispringer zu erkennen, der mit weit ausgebreiteten Armen über dem Boden schwebt. Erwartungsvoll blicken die am Abhang und auf der Tribüne postierten Zuschauer zur beflaggten Schanze. Das Publikum erscheint bunt gemischt, überwiegend sportlich gekleidet, aber auch Damen mit eleganten Hüten und Herren mit Melone sind dabei. Einige Skiläufer sind auf ihren Brettern gekommen. Die Fußgänger müssen sich durch kniehohen Schnee den Berg hinauf kämpfen. Die Aufnahme stammt aus dem Archiv des Wildbader Fotografen Karl Blumenthal (1866-1944), der den Ort und seine Umgebung dokumentierte und dabei auch den harten Alltag von Gewerbe- und Waldarbeitern festhielt. Das Bild vom Skispringen trägt kein Datum. Anhaltspunkte wie Kleidung könnten darauf hindeuten, dass es in den 1920er Jahren entstanden ist. Die einfach gebaute Schanze weist kaum Gemeinsamkeiten mit den hochtechnisierten Sprungtürmen von heute auf.

Die Bilder vom Nordschwarzwald machten Karl Blumenthal überregional bekannt. Außerdem verfügte er über gute Beziehungen zu Kaiser Wilhelm II. und suchte ihn und seine Familie nach der Abdankung mehrfach im holländischen Exil auf. Um 1950 übernahm Dieter von Schoenebeck das Wildbader Fotoatelier. Kurz bevor sich Schoenebeck 2003 zur Ruhe setzte, kam die Archivsammlung der beiden Fotografen ins Hauptstaatsarchiv Stuttgart.

Ihnen, liebes LEO-Publikum, wünschen wir, dass Sie in jeglicher Hinsicht von Hals- und Beinbrüchen verschont bleiben!

 

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Nostalgie zum Jahresauftakt

In den 1920er Jahren war der Film noch ein junges aber schon gern genutztes Medium

Straßenbahn in Ulm, 1940, Quelle: Haus des Dokumentarfilms Nr. 3358.

In vielen südwestdeutschen Gemeinden entstanden Werbeaufnahmen für den Fremdenverkehr, die in Wochenschauen gezeigt werden konnten. Im Ersten Weltkrieg waren Filme als Propagandamaterial gedreht worden. Nun boten Produktionsfirmen wie die Deutsche Lichtbild-Gesellschaft ihre Dienste für zivile Zwecke an. Die sich allmählich verbessernde wirtschaftliche Lage und die zunehmende Motorisierung machten die malerischen, großen und kleineren Orte des Südwestens zu beliebten Ausflugszielen. Einer der frühesten erhaltenen Filme über Ulm entstand im Jahr 1922. Im Gegensatz zu vielen anderen Produktionen, die einzelne Details und Highlights herausgreifen, gibt er eine Fahrt mit der Straßenbahn bzw. einen Gang durch die Altstadt wieder, beginnend am Bahnhof, durch die Hirschstraße, über den Münsterplatz bis zur Frauenstraße und ermöglicht einen Blick auf das Gesamterscheinungsbild der belebten Szenerie an einem sonnigen Tag. Weitere Bilder zeigen Ansichten der Stadtbefestigung und Partien am Wasser. Die Arbeiten wurden vom Münchner Produzenten Toni Attenberger ausgeführt, unter dessen Regie 1927 ein weiterer Film entstand. Die romantischen Bilder lassen vergessen, dass das damalige Leben in den alten Gemäuern recht mühsam sein konnte, besonders in den langen nebligen Wintern an der Donau, als das Fischerviertel noch kein restauriertes touristisches Aushängeschild war. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Altstadt von Ulm zu rund 80 Prozent zerstört. Danach begann der Wiederaufbau und die Gestaltung der Stadt, wie wir sie heute kennen. Die beiden Filme aus den 1920er Jahren sowie Beiträge, die in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden, stehen über Youtube auf der Homepage des Stadtarchivs Ulm zur Verfügung. Weitere Videos finden Sie auf LEO-BW als Beiträge aus dem Haus des Dokumentarfilms.

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Papst Silvester und der Teufel, Quelle: UB Heidelberg, Cod. Pal. germ. 137, Bl. 216v https://bit.ly/3PCqDcS

Der letzte Tag des Jahres ist nach Papst Silvester I. benannt. Das „Chronicon pontificum et imperatorum“, eine Geschichte von Päpsten und Kaisern, enthält eine berühmte Illustration, die Silvester II., geboren als Gerbert von Aurillac (um 950 – 1003) zusammen mit einer Darstellung des Teufels zeigt. Gerbert stammte aus einfachen Verhältnissen und schaffte es Abt von Bobbio zu werden sowie Erzbischof von Reims und Ravenna. Zu verdanken hatte er dies einerseits den Ottonen-Kaisern, als deren Berater er tätig war. Dank der Fürsprache von Otto III. wurde er 999 zum Papst gewählt und nahm den Namen Silvester II. an. Damit folgte er symbolisch Silvester I., der als Berater Konstantins des Großen galt und an dessen imperiale Politik Otto III. anknüpfte. Andererseits war Gerbert eine Kapazität auf den Gebieten technischer Innovation, Mathematik und Astronomie. So brachte er den Abakus, eine frühe Rechenmaschine, nach Europa. Seine Fähigkeiten konnten sich die Zeitgenossen nur dadurch erklären, dass Gerbert einen Pakt mit dem Teufel geschlossen hatte. Neben anderen inspirierte er Goethe zu seiner Darstellung des Faust.

Im „Chronicon pontificum et imperatorum“ ist Gerbert als wacher, pfiffiger Mensch wiedergegeben. Demgegenüber erscheint der Teufel als Gestalt mit mehreren Gesichtern. Martinus Oppaviensis, auch Martin von Troppau oder Martinus Polonus, ein aus Schlesien stammender Dominkanerpater, verfasste das "Chronicon pontificum et imperatorum" zwischen 1277 und 1286 auf Anregung von Papst Clemens IV. Das historische Werk, eine Gegenüberstellung der Amtszeiten von Kaisern und Päpsten, reicherte Martinus mit Anekdoten und Geschichten an. Mehrere Fassungen und Übersetzungen entstanden. Die Bebilderung des vorliegenden Exemplars aus der Mitte des 15. Jh. stammt aus der Werkstatt des Diebold Lauber in Hagenau im Elsass. Das ganze Werk finden Sie hier https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cpg137.

Wir wünschen einen guten Rutsch ins neue Jahr - ganz ohne Dämonen!

 

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Mappa Geometrica oder Grundriß und Geometrischer Entwurff der Hochfürstl: Merßburg: Ritterschafftlichen Dorffschaft Staringen, Quelle: Landesarchiv BW, GLAK H Stahringen 1 https://bit.ly/3iKeiXJ

Erst auf den zweiten Blick entpuppt sich der Ritter mit Helm, Hermelin und Schild als Gemarkungskarte. Wiedergegeben ist der Ort Stahringen, der heute zu Radolfzell gehört, umgeben von Wäldern, Wiesen, Äckern und Straßen. Um die Jahre 1744/49 war Stahringen in den Besitz des Franz Konrad von Rodt gelangt. Der Reichsfreiherr von Rodt (1706-1775) wurde 1737 zum Priester geweiht und 1750 Fürstbischof von Konstanz. Die Karte entstand um bzw. nach 1762. Rodt hatte zahlreiche weitere Ämter, Titel und Besitzungen inne. Auf der Karte ist er in einer separaten Abbildung dargestellt. Die ihn umgebenden Figuren verweisen zusammen mit der Aufzählung in der Titelkartusche auf seine Funktionen. So war Rodt Domherr zu Augsburg, Träger des Großkreuzes vom Johanniterorden zu Malta sowie des Großkreuzes des Malteserordens. 1758 wurde er zum Kardinalpriester der Titularkirche Santa Maria del Popolo in Rom ernannt, die im Hintergrund des Bildes zu erkennen ist. Er war außerdem Abt des Kastells Barbato bei Cremona und im ungarischen Szekszárd. Die im Vergleich zur Bedeutung des Orts Stahringen unverhältnismäßig erscheinende Aufmachung der Karte ist unter anderem damit zu erklären, dass Konstanz in Konkurrenz zu den großen Abteien von St. Gallen, Einsiedeln und dem Fürststift Kempten stand. Außerdem sah sich das Bistum Konstanz durch die kirchliche Reformpolitik von Kaiser Joseph II. gefährdet. Die Sonne, die mit freundlichem Gesicht die Darstellung der versammelten, von einem Engel präsentierten Ämter bescheint, könnte sowohl ein Hinweis auf die weitreichenden Beziehungen des Fürstbischofs sein als auch ein Symbol für seine aufklärerische Gesinnung, die er nach außen sichtbar machen wollte. Dies brachte er auch auf architektonischem Gebiet zum Ausdruck. So veranlasste Franz Konrad von Rodt während seiner Amtszeit den Abschluss der Arbeiten zur Umgestaltung des Meersburger Neuen Schlosses und die Ausstattung zahlreicher Kirchen mit neuen Fresken. Das Wappen des Fürstbischofs, oben rechts auf der Karte, ist mit Bischofsmitra und Fürstenhut wiedergegeben. 

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