„Erholungs- und Stärkungspause in dem Nerven, Geist und Körper zerrüttenden Berufsleben“

Die Deutsche Gesellschaft für Kaufmannserholungsheime (DGK) und ihre Niederlassungen im Südwesten

Das Friedrich-Hilda-Heim auf der Bühler Höhe im Schwarzwald wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört und später neu aufgebaut, Quelle: Landesarchiv BW, GLAK 69 Baden, Sammlung 1995 F I Nr. 124, 10 (Ausschnitt)

Die in Wiesbaden ansässige Gesellschaft wurde 1910 durch den Textilunternehmer Joseph Baum (1874-1917) gegründet. Kaufmännischen und technischen Angestellten sowie kleinen selbstständigen Kaufleuten sollte Erholung ermöglicht werden. Meist verfügte die Personengruppe nicht über die finanziellen Mittel dazu. Trotzdem wurde der Wert eines jährlichen Urlaubs oder gar einer Kur schon Anfang des 20. Jh. erkannt als „Erholungs- und Stärkungspause in dem Nerven, Geist und Körper zerrüttenden Berufsleben“.

Die DGK folgte einem Trend, der schon einige Jahre vorher zur Entstehung von Erholungsheimen für Arbeiter, Beamte und andere Berufsgruppen geführt hatte. Gesundheit und damit die Arbeitskraft waren Güter, die nicht mehr unbegrenzt ausgebeutet werden konnten. Das Leben in den beengten und stickigen Industriezentren stellte schon damals eine Herausforderung dar. Mitglieder des Verbands konnten sowohl Unternehmen werden, die ihren Mitarbeitern einen Ferienaufenthalt ermöglichen wollten, als auch Einzelpersonen. Die Aufwendungen sollten die der normalen Lebenshaltung möglichst nicht oder nur wenig überschreiten. Die Häuser sollten außerdem gut und kostengünstig zu erreichen sein. Möglich waren Aufenthalte von bis zu drei Wochen.

Bis in die 1920er Jahre entstanden rund 40 Heime, vorwiegend an der See, in den Gebirgen und Heilbädern, die zur freien Auswahl standen. Schon in den Anfangsjahren wurde Wert auf eine moderne aber nicht luxuriöse Ausstattung gelegt. Zu den ersten Häusern im Südwesten gehörte das 1914 eingerichtete Friedrich-Hilda-Heim auf der Bühler Höhe, das Rudolf-Sophien-Stift bei Stuttgart und das Kurhaus Bad Boll bei Bonndorf im Südschwarzwald. 1929/30 wurde das „Haus auf der Alb“ im Bauhausstil neu erbaut, heute Tagungszentrum der Landeszentrale für politische Bildung. Direktor der DGK und Mitbegründer des „Haus auf der Alb“ war ab 1912 Dr. Georg Goldstein, der wegen seiner jüdischen Abstammung 1933 des Amtes enthoben wurde und 1943 in Theresienstadt starb. Während der NS-Zeit waren die Einrichtungen der Organisation „Kraft durch Freude“ unterstellt. Während des Zweiten Weltkriegs und in der Folgezeit dienten sie als Lazarette und Unterkünfte für Besatzungsmächte oder Heimatvertriebene. Viele Heime waren verlorengegangen, doch setzte mit dem wirtschaftlichen Aufschwung auch hier eine Wiederaufbauphase ein. Anfang der 1960er Jahre standen der „Deutschen Gesellschaft für Kur- und Erholungsheime für Handel und Industrie e. V.“ wieder rund 30 Einrichtungen zur Verfügung. Danach führte der aufkommende Massentourismus zur Aufgabe vieler Heime. Erhalten blieb die „Stiftung Kaufmannserholungsheime“ mit Sitz in Wiesbaden, die sich um Belange in Kunst und Kultur sowie der Jugend- und Altenhilfe kümmert.

Mehr über die Geschichte der DGK, das „Haus auf der Alb“ und die Biographie von Georg Goldstein finden Sie auf der Homepage der Landeszentrale für politische Bildung .

Das Zitat in der Überschrift stammt ebenfalls aus diesem Beitrag.

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„Kings and governments may err. But never Mr. Baedeker“

Von Reise- und anderen Wegen einer Verleger-Familie

Schwarzwald, Odenwald, Bodensee. Handbuch für Reisende, von Karl Baedeker, Ausgabe von 1921, daraus die Karte von Badenweiler, Quelle: Badische Landesbibliothek Karlsruhe 80 A 4536 R https://t1p.de/5kvun, dort verfügbar als Digitalisat.

1835 veröffentlichte der Verleger Karl Baedeker (1801-1859) seinen ersten Reiseführer über den Rhein. Es war die grundlegende Überarbeitung eines literarisch angelegten Werkes des Historikers Johann August Klein und ein voller Erfolg. In den folgenden Jahren wurden die handlichen, rot eingebundenen Bändchen zum Inbegriff des Reiseführers schlechthin. Die Entwicklung spiegelt den aufkommenden bürgerlichen Tourismus im 19. Jahrhundert. Gestützt wurde die Reiselust durch neue, schnelle Verkehrsmittel wie Eisenbahn und Dampfschiff. Gefragt waren Reiserouten und Ziele, die in einer planbaren Zeit besucht werden konnten. Das bisher zweckgebundene Reisen sollte Vergnügen bereiten. Der Leserkreis erhielt Informationen zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten und verlässliche Fakten, etwa über die nötigen Papiere, örtliche Gepflogenheiten und Pläne. Die Reisenden sollten möglichst unabhängig agieren können. Auf diese Weise schaffte es Baedeker, in das Libretto der Operette „La Vie Parisienne“ einzugehen: „Kings and governments may err / But never Mr. Baedeker“. „Der Baedeker“ war kein deutsches Phänomen. Etwa zeitgleich erschienen in England von John Murray herausgegebene, ähnlich aufgemachte Büchlein für die ebenfalls reisefreudigen Angelsachsen. Ob diese frühen Veröffentlichungen einem Massentourismus Vorschub leisteten, wie teils behautet wird, mag dahingestellt sein. Karl Baedeker hatte dessen unschöne Auswirkungen bereits im Blick, als er schrieb, durch die Teilnehmer des „Dampf-Verkehres“ würde das Rheintal „heuschreckenartig überfluthet“. Während Karl Baedekers erste Veröffentlichungen dem Rhein galten, folgten in den 1850er Jahren Ausgaben für die Schweiz, Deutschland und Österreich sowie Oberitalien.

Die 1827 in Koblenz gegründete Verlagsbuchhandlung zog unter dem Sohn Fritz Baedeker (1844-1925) nach Sachsen um. 1936 trat der Urgroßenkel Karl Friedrich Baedeker in den Verlag ein und begann die Angaben für den im Aufstieg begriffenen Autoreiseverkehr auszuarbeiten. Zum traurigen Gegenstück des Operetten-Zitats wurde „Bomber’s Baedeker“, eine Liste mit deutschen Städten und ihrer Infrastruktur, die als Grundlage für die Luftangriffe der Royal Air Force diente. 1943 wurde das Verlagshaus in Leipzig zerstört. Während Hans Baedeker (1874-1959) 1948 seinen letzten Reiseführer über Leipzig veröffentlichte, begann Karl Friedrich Baedeker in Schleswig-Holstein damit, den Verlag neu aufzubauen. 1949 veröffentlichte er den ersten Reiseführer über seine neue Heimat, dessen Grundlagen er in Wanderungen erarbeitet hatte. 1956 kam der Sitz des Verlags nach Freiburg.

Neben der Reiseliteratur widmete sich Karl Friedrich Baedeker den Werken von Ernst Jünger, Robert Musil und Rudolf Kassner, mit denen er persönlich in Verbindung stand. Er rief das „Ernst-Jünger-Archiv“ ins Leben, das sich seit 1972 im Deutschen Literaturarchiv in Marbach befindet. Karl Friedrich Baedeker wurde am 21.08.1910 in Jena geboren und starb am 05.06.1979 in Freiburg. Seine ausführliche Biographie finden Sie auf LEO-BW.

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Gruppe von „Fahrenden“ mit hölzernem Reisewagen in den Dolomiten, aufgenommen von Willy Pragher, o.D., Quelle: Landesarchiv BW, StAF W 134 Nr. 000320

Nobelgusch bedeutet im Jenischen „Edles Haus“. So nannten die um 1730 in Pfedelbach angesiedelten „Fahrenden“ ihre neue Heimat. Nach dem Aussterben des evangelischen Zweiges Hohenlohe-Pfedelbach versuchten die erbenden katholischen Linien Hohenlohe-Schillingsfürst und Hohenlohe-Bartenstein den katholischen Bevölkerungsanteil zu erhöhen. Ferdinand zu Hohenlohe-Bartenstein brachte die Ankömmlinge auf dem unweit von Pfedelbach gelegenen Heuberg unter. Es heißt, sie waren Korbmacher, Scherenschleifer, Maurer, Spiel- und Zimmerleute oder Taglöhner. Viel ist nicht über die Jenischen bekannt. Sie sehen sich als eigene Volksgruppe in Abgrenzung zu Sinti und Roma. Möglicherweise entstanden sie als Zusammenschluss umherziehender Gruppen während der Kriege des 17. Jh. Die Bezeichnung erscheint im 18. Jh. für nicht Sesshafte oder Verarmte am Rand der Gesellschaft. Als wichtiger Bestandteil ihrer Kultur gilt die Sprache. Es handelt sich um ein Gemisch von deutschen, französischen und anderssprachigen Ausdrücken sowie speziellen Wortschöpfungen, die sich auf Geschäftsgepflogenheiten oder kleine Gaunereien beziehen. Auch die Jenischen wurden Opfer von Verfolgungen während der NS-Zeit. Dennoch hielten sich Ausprägungen des Jenisch in der Gegend von Pfedelbach bis in die 1960er und 70er Jahre. Außer in Pfedelbach ließen sich Jenische in den Orten der hohenlohischen Gemeinde Fichtenau nieder. Vermutlich reichen deren Anfänge zurück bis in die Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg, als viele verlassene Dörfer wiederbelebt werden sollten. Ende des 19. Jh. wies das Oberamt Crailsheim die meisten Hausierhändler in Württemberg auf. Lange Zeit fristeten sie ein kärgliches Leben, zogen während eines Großteils des Jahres über Land, kamen dabei weit herum und blieben unter sich.

Die Überlebenden der NS-Zeit hielten sich bedeckt, was Herkunft und sogar den Wohnsitz betraf. Erst in neuerer Zeit wurden die Fichtenauer als geschäftstüchtige Markt- und Volksfestbeschicker bekannt und sind teils zu Wohlstand gekommen. In Pfedelbach bemühen sich die Einwohner, das im Verschwinden begriffene Jenisch zu bewahren. Schulen, Vereine und Initiativen greifen mit Projekten und Theaterstücken darauf zurück und so erhielt die neue Gemeindehallte den Namen „Nobelgusch“. Das Hohenloher Freilandmuseum konzipierte zusammen mit Angehörigen der Jenischen erstmals eine Ausstellung, die dem in der Region sesshaft gewordenen Volk „Auf der Reis“ gewidmet ist. Dazu gehört auch der traditionelle hölzerne Reisewagen mit Runddach. Doch nicht nur die Jenischen hielten sich mit „mobilen Berufen“ über Wasser. Mehr dazu im Themenmodul Alltagskultur auf LEO-BW https://t1p.de/9x24e

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Hausgeschichten 

Spannendes zum jüdischen Rottweil

Der „Goldene Becher“ in Rottweil, wo der erste jüdische Betsaal untergebracht war, Quelle: Landauf, LandApp

Trotz Erinnerungsarbeit und dem Wissen um die Existenz einer ehemaligen jüdischen Gemeinde am Ort erscheint deren Geschichte oft abstrakt. Zu groß sind die während der NS-Zeit entstandenen Lücken und Verluste. Neuere Projekte haben es sich zur Aufgabe gemacht, ein lebendigeres Bild dieser Geschichte zu vermitteln. So zeigt ein Stadtrundgang durch Rottweil, in welchen Häusern sich jüdische Einwohner niedergelassen hatten, woher sie kamen und in welchen familiären Verhältnissen sie lebten. Entlang der Haupt- und Hochbrücktorstraße öffneten im Lauf des 19. und frühen 20. Jh. verschiedene jüdische Unternehmen, Geschäfte und Gewerbebetriebe. Es wird deutlich, wie vielfältig die Funktionen waren, die die jüdischen Familien in wirtschaftlichen und anderen öffentlichen Bereichen der Stadt hatten, bevor die Gemeinde in den 1930er Jahren aufgelöst wurde.

Als einer der ersten Juden kam Moses Katz oder Kaz (1750-1829) aus Mühringen nach Rottweil. Der wohlhabende Geldverleiher, Unterhändler und Heereslieferant erwarb 1806 ein Haus in der Hauptstraße 29. Im obersten Stock wurde der erste Betsaal in Rottweil eingerichtet. Moses Katz verarmte und verstarb 1829. Die Tochter Henriette – Hefel - heiratete Joseph Hirsch Rothschild aus Mühringen. Ihr Sohn, Dr. Meyer Rothschild (1813-1884), ursprünglich Arzt, übernahm ab den 1850er Jahren die Redaktion des „Rottweiler Anzeigers“. Im Haus Friedrichsplatz 16 waren die „Rottweiler Rothschilds“ mit Buchdruckerei und dem ab 1863 als „Schwarzwälder Bürgerzeitung“ erscheinenden Blatt untergebracht. Die Herausgabe der Zeitung musste 1934 eingestellt werden. Als weiterer Mann der ersten Stunde hatte Abraham Bernheim 1811 einen Teil des Hauses „Zum Goldenen Becher“ in der Hochbrücktorstraße 17 erworben. Schon zuvor war der aus Hechingen stammende Bernheim geschäftlich in Rottweil unterwegs gewesen. Neben dem Textil- und Spirituosenhandel bot er Finanzdienstleistungen an, die nun im „Goldenen Becher“ abgewickelt wurden. Für einige Zeit befand sich auch in diesem Gebäude ein Betsaal. Sein Sohn Benjamin Bernheim gehörte zu den Gründungsmitgliedern des um 1859 ins Leben gerufenen Gewerbevereins.

Die Juden zogen nicht nur aus der näheren Umgebung zu. Einige stammten aus entfernteren Gemeinden, wie etwa eingeheiratete Frauen. Andere waren weit herumgekommen. Aus den traditionellen Gewerben, die alle Sparten den Handels einschlossen, entwickelten sich gutgehende Läden mit angeschlossenen Manufakturen, aus denen Fabrikationen in größerem und teils überregionalem Umfang hervorgingen. Beliebt war der Textilbereich mit seinen unterschiedlichen Sparten. Gehandelt wurde mit Stoffen und fertigen Produkten, von der Aussteuerware über Konfektionsmode bis zu Betten und Raumausstattung.

Beispielhaft ist die Geschichte von Nathan Degginger (1775-1849) und seiner Familie. Nathan, ein weiterer der ersten ansässigen Juden, war aus Mühlen bei Horb am Neckar nach Rottweil gekommen und hatte 1814 zusammen mit seiner Frau Gidiana das Gasthaus „Krone“ übernommen. Gidiana brachte zehn Kinder zur Welt. Der Markt- und Hausierhandel mit Stoffen, der zuvor den Unterhalt gesichert hatte, wurde fortgeführt. Sohn Friedrich Degginger (1822–1903) gründete 1858 eine Kleiderhandlung in der Hochbrücktorstraße 12 mit Maßschneiderei, in die 1872 sein Schwiegersohn Emanuel Rosenstiel (1845–1954) eintrat. Die „Kleiderfabrik Degginger & Rosenstiel“ wurde zu einem der größten Textilbetriebe in Rottweil. Nachkommen der Tochter Charlotte führten als „Geschwister Heß“ von 1878 bis 1902 in der elterlichen „Krone“ ein Geschäft für Damenkonfektion. Ein weiterer Sohn, Adolph Degginger (1820-1884), gründete 1874 zusammen mit seiner Tochter Fanny (1856-1883) in der Königstraße 2 eine Hemdenfabrik mit Ladengeschäft. Später gehörten noch Weißwäsche und andere Aussteuerwaren zum Angebot. Handelsreisende sorgten für weitreichende Geschäftsbeziehungen. Die Firma blieb in Familienbesitz, bis sie 1938 zwangsweise verkauft werden musste. Ebenfalls mit einem Hausiererpatent hatte der Weg einer weiteren Familie Degginger aus Lauffen am Neckar begonnen. 1865 kam Gabriel Degginger in das ihm geschäftlich vertraute Rottweil und eröffnete in der Hauptstraße 35 einen Laden für Baumwollwaren. 1871 ist eine „Herrenkleider-Fabrik“ nachweisbar. Das zunächst schleppende Unternehmen bekam Schwung durch Tochter Bertha, Witwe des Samuel Brandenburger, die mit ihren vier Kindern aus den USA zurückgekehrt war und ein neues Geschäft in der Hohlengrabengasse 3 eröffnete, das 1890 in die Hochbrücktorstraße 4 umzog. Ein anderes erfolgreiches Textilunternehmen geht auf Isidor Augsburger (1832-1917) zurück, der 1864 ein Ladengeschäft in der Rathausgasse eröffnet hatte. Der bis 1934 in Rottweil ansässige Familienbetrieb wurde zu einem renommierten und beliebten Modegeschäft mit Niederlassung in der Hauptstraße 33, dem eine Wäschefabrik angeschlossen war.

Die Mitglieder der jüdischen Gemeinde stammten aus unterschiedlichsten Regionen. So waren nicht nur Zugezogene aus südwestdeutsche Herkunftsgemeinden vertreten, wie Leopold (1840-1902) und Jette (1850-1938) Wälder aus Rexingen und Laupheim, die in der Hauptstraße 53 eine Fell- und Wollhandlung betrieben oder Max Bikard aus dem hohenlohischen Laibach, der ab 1865 im Gasthaus „Pfauen“ eine moderne Dampfbrauerei aufbaute. Max Blochert aus Pommern und seine Ehefrau Celine aus dem Elsass übernahmen 1919 das Kaufhaus am Friedrichsplatz 9. Schon während des Ersten Weltkriegs waren die Brüder Selik und Nathan Oko mit ihren Familien aus Russland zugewandert. Nathan betrieb in der Hauptstraße 64 eine Schneiderei mit Stoffhandlung, in der es auch Genusswaren wie Zigarren, Tabak und Schokolade zu kaufen gab.

Um 1880 lebten etwa 130 jüdische Personen in Rottweil, 1933 noch über 80. Vielen gelang die Emigration. Zu den ersten gehörten die beiden Familien Oko, die als Ostjuden nach 1933 besonderen Anfeindungen ausgesetzt waren. Sie reisten schon 1933 bzw. 1934 nach Palästina aus. Mehr als 20 Angehörige der jüdischen Gemeinde wurden Opfer nationalsozialistischer Verfolgung und Vernichtung.

Wie blühend die jüdische Gemeinde in Rottweil war, zeigt das Portal „Spuren jüdischen Lebens in Rottweil. Ein Stadtrundgang“ (externer Link) mit der Geschichte zu rund 30 Orten und vielen spannenden Details . Der Geschichtspfad, der auch real durch Rottweil führt, ist Teil eines Gesamtprojekts, erarbeitet vom Arbeitskreis Erinnerungskultur, bestehend aus dem Verein Ehemalige Synagoge, der Israelitischen Kultusgemeinde, der evangelischen und der katholischen Kirchengemeinde, dem Bischöflichen Konvikt, dem Stadtarchiv und dem Kulturamt. Zum Gesamtkonzept gehört auch die Gedenkarbeit mit Internetdokumentation.

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Das Schwedengrab in Mühlheim an der Donau

Eine besondere Gedenkstätte

Das Schloss in Mühlheim an der Donau aus der Glasplattensammlung des Landesdenkmalamts. Die Grabstelle befindet sich links neben dem Fuß des Schlosshügels, Quelle: Landesarchiv BW, StAL EL 228 a II Nr 904

Mühlheim an der Donau ist ein kleines Städtchen im Landkreis Tuttlingen. Der Ort hatte sich bis zum 14. Jh. unter der Herrschaft der Zollern zu einem Wirtschafts- und Verwaltungszentrum mit eigenem Territorium entwickelt. Ab dem 15. Jh. residierten die Herren von Enzberg am Ort, der nun im Windschatten von Tuttlingen lag. Im Dreißigjährigen Krieg litten die Stadt und die gesamte Region. Besonders schlimm wurde es ab 1629. Durchziehende kaiserliche Truppen lagerten während des ganzen Jahres in und um das Städtchen und mussten verpflegt werden. Als im Juni 1632 die ersten Schweden nach Mühlheim kamen, flohen die Einwohner. Schweden war 1630 in den Krieg eingetreten und drang ab 1631 immer weiter nach Süddeutschland vor. Währenddessen wurde der Krieg immer brutaler. Gewalttaten, Plünderungen und Zerstörung eskalierten, in Mühlheim wie anderswo. Doch auch die scheinbar unangreifbaren Schweden blieben nicht verschont. Im Februar des folgenden Jahres kam es durch kaiserliche Reiterei zu einem Blutbad, dem rund 500 schwedische Soldaten zum Opfer fielen. Etwa 300 fanden in Mühlheim den Tod, 200 Geflüchtete wurden wenige Kilometer entfernt bei Nendingen niedergemetzelt, dazu französische Verbündete in Fridingen. Für die Toten von Mühlheim entstand ein Massengrab unweit des Donauufers. Rund ein halbes Jahr später, im August 1633, siegte die mächtige kaiserliche Reiterei bei neuerlichen Kampfhandlungen in der Nähe von Nendingen. Die wenigen verbliebenen Einwohner Mühlheims streiften herum, hungerten und wurden Opfer von Seuchen.

Nach der Schlacht bei Nördlingen 1634 zog sich die schwedische Armee aus Süddeutschland zurück. Das Ende für die französische Armee kam 1643 mit der Niederlage in der Schlacht bei Tuttlingen. 1649, kurz nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges, entstand die Wallfahrt zur Kirche Maria Hilf auf dem nahen Welschenberg. Der Ort erholte sich allmählich. Mitte des 18. Jh. ließen die Herren von Enzberg anstelle der alten Burg ein Schloss errichten.

Das „Schwedengrab“ an der Donau, das seit 1933 eine Kupferplatte kennzeichnet, wurde 2007 neu gestaltet, mit Informationstafeln ausgestattet und ist heute eine überregional bekannte Gedenkstätte. Das sehenswerte Mühlheim in der Naturregion Obere Donau wird gerne von Touristen besucht, auch aus Schweden.

Mehr zum Dreißigjährigen Krieg, seinem Verlauf, wichtigen Personen und Ereignissen, finden Sie im gleichnamigen Themenmodul auf LEO-BW.

Mehr Infos zum Schwedengrab gibt’s beim Heimatverein Mühlheim (externer Link).

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