Gemeindezentren

Ein Interview mit Prof. Barbara Traub, Fragen von Eva Rincke

Die IRGW unterhält drei Gemeindezentren: in Stuttgart, Esslingen und Ulm – sowie Zweigstellen in Reutlingen, Heilbronn, Aalen, Heidenheim und Weingarten. Außerdem gibt es Gruppen in Schwäbisch Hall und Bad Mergentheim. Wo leben die meisten Gemeindemitglieder und wie gestaltet sich das Gemeindeleben in den Zweigstellen und Gruppen?

Prof. Traub: Stuttgart ist einerseits der offizielle Sitz der IRGW, zugleich aber auch die mit Abstand größte jüdische Ortsgemeinde in ganz Baden-Württemberg. Über zwei Drittel unserer Mitglieder leben in Stuttgart und Umgebung. Daher können wir in Stuttgart auch eine Jüdische Grundschule und eine Kindertagesstätte anbieten. Die nächsten vergleichbaren Gemeinden finden sich erst wieder in Frankfurt, München, Zürich oder Strasbourg.

Mit den Gemeindezentren in Esslingen und Ulm bieten wir den Mitgliedern dort und im jeweiligen Umland ebenfalls Anlaufstellen, wo neben Synagogen für Gebete und G‘‘ttesdienste vorbehaltene Räume, auch kulturell und gesellschaftlich etliches geboten wird. Esslingen und Ulm entsprechen gewissermaßen mittelgroßen Gemeinden im klassischen Sinne.

In den weiteren Zweigstellen ist die Anzahl jüdischer Menschen leider nicht groß genug, um beispielsweise wöchentlich G‘‘ttesdienste abzuhalten. Sie werden daher von einem mobilen Gemeinderabbiner betreut, der dort jeweils abwechselnd den Schabbat und die Feiertage mit den Mitgliedern verbringt. Auch die liberale Gruppe ist immer wieder in den Zweigstellen mit ihren G‘‘ttesdiensten vor Ort. Darüber hinaus organisieren unsere ehrenamtlichen „Aktivisten“ in den Zweigstellen regelmäßig gesellige Events und Kulturveranstaltungen, um auch dort ein Gefühl der Zusammengehörigkeit zu fördern. Die Zweigstellen sind dabei in erster Linie durch Zuwanderer entstanden. Umso mehr freut es uns, dass man sich an mehreren Orten bereits in den lokalen Räten der Religionen engagiert.

Sowohl unsere Gemeindezentren in Esslingen und Ulm, wie auch die Zweigstellenaktivitäten unterstützen wir von Stuttgart aus so gut es geht. Zudem ermöglichen wir auch den Menschen aus den Zweigstellen, an den verschiedenen Angeboten in unseren größeren Gemeindezentren teilzunehmen. Einheitsgemeinde heißt eben auch, dass man auf der Schwäbischen Alb wohnt, aber genauso am Leben in Stuttgart, Esslingen oder Ulm Anteil hat.

Das Gemeindezentrum Stuttgart bildet gewissermaßen den Mittelpunkt des Gemeindelebens der IRGW. Wie sieht das Gemeindeleben in Stuttgart aus?

Prof. Traub: Eine kleine Korrektur: Den Mittelpunkt einer jüdischen Gemeinde bilden immer die Familien. Umso wichtiger ist es uns, Familien zu fördern und an unsere Gemeinde zu binden. Aktuell bauen wir daher unsere Angebote für Familien weiter aus. So haben wir in den vergangenen Monaten die entsprechenden Aktivtäten in einem Familienreferat zusammengeführt und hoffen, bei dieser Gelegenheit, auch Familien verstärkt wieder an jüdische Traditionen heranzuführen. Das Spektrum umfasst formelle Bildungsangebote wie Kindergarten und Grundschule, richtet sich aber auch an Familien mit größeren Kindern. Man kommt in die Gemeinde für Bat und Bar Mizwa-Unterricht [in Vorbereitung auf die Bar/t Mizwa-Feier mit 12 (Mädchen) beziehungsweise 13 (Jungen) Jahren], ins Jugendzentrum oder engagiert sich im Studentenverband. Das Angebot für die etwas in die Jahre gekommenen Eltern, deren Kinder schon flügge geworden sind, bauen wir aktuell ebenfalls aus. Und natürlich ist unsere Gemeinde auch für Menschen in höherem Alter sehr wichtig, deren Kinder längst eigene Familien gegründet haben und oftmals an anderen Orten wohnen. Für sie sind beispielsweise die „Seder-Abende“ der Gemeinde – die man sonst traditionellerweise eher in der Familie zu Hause feiert – eine Möglichkeit, das Pessach-Fest in Gemeinschaft zu beginnen.

Alles in allem ist vom Ausgang von Schabbat am Samstagabend bis zum Beginn des nächsten Schabbat am Freitagabend immer Betrieb: Gebete, Kindergarten, Schule, israelische Folkloretänze, Vorträge oder Sprachkurse bis hin zu Synagogenführungen für Schulklassen und Besuchergruppen – eigentlich ist in unserem Stuttgarter Gemeindezentrum immer was los. Nur der Schabbat ist der Ruhe und dem Gebet vorbehalten, dann kommt die Gemeinde auch zur Ruhe.

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Prof. Barbara Traub ist Vorstandssprecherin der IRGW.

Zitierhinweis: Barbara Traub/Eva Rincke, Interview mit dem Vorstand der IRGW, in: Jüdisches Leben im Südwesten, URL: […], Stand: 15.06.2023.

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