Religionsunterricht, Kita und Grundschule

Ein Interview mit Prof. Barbara Traub, Fragen von Eva Rincke

Der jüdische Religionsunterricht für Kinder und Jugendliche in Baden-Württemberg wird an der Relischule in Stuttgart und den Zweigstellen abgehalten. Können Sie mehr über die Relischule erzählen?

Prof. Traub: Jüdischer Reli-Unterricht in Baden-Württemberg ist seit Jahren staatlich anerkannt. Grundlage sind die verbindlichen Bildungspläne des Landes für jüdischen Religionsunterricht – und zwar bis hinauf zum Abitur. Das ist für uns als Gemeinde wichtig. Mehr noch ist es wichtig für unsere Kinder und Jugendlichen, die auf diese Weise ganz praktisch erfahren, dass das Judentum zu unserem Land gehört – und zwar nicht nur in einer historischen Perspektive, sondern auch ganz konkret im Hier und Jetzt.

Dabei klingt „Religionsschule“ immer sehr abstrakt. Faktisch bedeutet es, dass unsere aktuell zwei super-engagierten Lehrer*innen in Stuttgart und in mehreren Zweigstellenstädten jüdischen Reli-Unterricht erteilen. Unter den Bedingungen von G8 und dem entsprechend verdichteten Stundenplan der Kinder und Jugendlichen ist das gar nicht so einfach. Unsere Schüler*innen verteilen sich aktuell auf 28 verschiedene Schulen – 21 davon in Stuttgart, weitere in Böblingen, Esslingen, Fellbach, Heilbronn, Ludwigsburg, Tübingen und Ulm. Aber: Sowohl uns Gemeinde, wie auch unserem Schulleiter ist es wichtig, dass jeder, der jüdischen Reli-Unterricht wünscht, auch qualifizierten Unterricht erhält. Und wir sind ziemlich stolz darauf, dass das trotz all der organisatorischen Klimmzüge im Regelfall auch klappt!

Im Gemeindezentrum Stuttgart gibt es auch eine Kindertagesstätte und eine jüdische Grundschule: Was zeichnet den Kindergarten und die Grundschule aus?

Prof. Traub: In erster Linie ist es der jüdische Festtagskalender, der das Leben in Kita und Grundschule prägt. Bei uns wird im Herbst nicht nur mit Herbstlaub gebastelt oder Schneemänner im Winter, sondern es spielen immer auch die bevorstehenden Feiertage eine wichtige Rolle: Das Neujahrsfest „Rosch HaSchana“ mit Honig, Apfel, Granatapfel und dem „Schofar“, also dem Widderhorn, das zwischen Rosch HaSchana und dem Versöhnungstag „Jom Kippur“ immer wieder ertönt. Oder die Laubhütte, in der man während des Laubhüttenfests „Sukkot“ wann immer möglich die Mahlzeiten einnimmt.

Ebenso wichtig ist es für uns auch, dass unsere Kinder in Kita und Grundschule dort jeweils mit anderen jüdischen Kindern zusammen sind und nicht – wie sonst leider meist der Fall – das einzige jüdische Kind in der Klasse sind. Hier kann man einen Davidstern um den Hals oder eine Kippa auf dem Kopf tragen, ohne damit aufzufallen. Dieses Gruppengefühl ist nach unserer Einschätzung ein wichtiger Beitrag, um auch langfristig ein gesundes Selbstbewusstsein als Jüdin oder Jude entwickeln zu können.

Und natürlich gehört zur Kita und zur Grundschule dazu, dass die Kinder mit koscherem Essen versorgt werden, auch wenn das in den Verpflegungssätzen der Kita- und Privatschulförderung so nicht vorgesehen ist. Letztendlich wachsen unsere Kinder auf diese Weise ganz normal mit jüdischen Traditionen auf. Was uns dabei besonders freut: Nicht selten sind es dann auch die Kinder, die den entscheidenden Impuls geben, dass man auch in den Familien die jüdischen Traditionen wieder zu pflegen beginnt – ob das Entzünden der Schabbat-Kerzen am Freitagabend oder auch die verschiedenen Feiertage.

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Prof. Barbara Traub ist Vorstandssprecherin der IRGW.

Zitierhinweis: Barbara Traub/Eva Rincke, Interview mit dem Vorstand der IRGW, in: Jüdisches Leben im Südwesten, URL: […], Stand: 15.06.2023.

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