Kuppenheim

Bereich um den Standort der Synagoge in der heutigen Löwengasse auf der Badischen Gemarkungskarte (1869-1870). Während der Pogrome im November 1938 wurde die Synagoge durch Inbrandsetzung zerstört. Danach befand sich das Anwesen in Privatbesitz. Die Ruine wurde nach dem Zweiten Weltkrieg abgebrochen. [Quelle: Landesarchiv BW, GLAK H-1 Nr. 1005]
Bereich um den Standort der Synagoge in der heutigen Löwengasse auf der Badischen Gemarkungskarte (1869-1870). Während der Pogrome im November 1938 wurde die Synagoge durch Inbrandsetzung zerstört. Danach befand sich das Anwesen in Privatbesitz. Die Ruine wurde nach dem Zweiten Weltkrieg abgebrochen. [Quelle: Landesarchiv BW, GLAK H-1 Nr. 1005]

Dieser Beitrag stammt aus der Studie von Franz Hundsnurscher und Gerhard Taddey, Die jüdischen Gemeinden in Baden. Denkmale, Geschichte, Schicksale, hg. von der Archivdirektion Stuttgart (Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg 19), Stuttgart 1968.

Die Studie wird hier in der Originalfassung als Volltext zugänglich gemacht und separat bebildert. Inhalte und Sprachgebrauch entsprechen dem Stand von 1968. Weitere Informationen zur Entstehung und Einordnung der Studie finden Sie hier.

Die von den Grafen von Eberstein um 1250 gegründete Stadt Kuppenheim fiel 1288 an die Markgrafen von Baden. Von 1535 bis 1771 war sie im Besitz der baden-badischen Linie. 1950 erfolgte die Wiederverleihung des im Laufe der Zeit verlorenen Stadtrechts.

Unter Markgraf Philipp II. (1535-1588) wohnten auch in Kuppenheim Juden. 1580 verlangte die Stadt der handeltreibenden Juden wegen die Wiedereröffnung des eingegangenen Wochenmarkts in Kuppenheim. 1584 vertrieb der Markgraf die Juden aus seinem Land. Einige wenige durften bleiben. Das ersieht man etwa daraus, dass Kurfürst Johann Kasimir von der Pfalz (1589-1652) um 1590 auf Ersuchen des Markgrafen seine Beamten anwies, den Juden Samuel Schampffer aus Kuppenheim „ein Federstäuber, welcher... dem Markgrafen zu deren Hof- und Haushalt allerhand Federwaar auf der Frankfurter Mess einkaufen soll", die ordentliche Geleitstraße nach Frankfurt hin und zurück gegen Erlegung des gewöhnlichen Judenzolls und Geleitgeldes passieren zu lassen.

Markgraf Ernst Friedrich von Baden-Durlach (1577-1604), der seit 1596 die baden-badische Markgrafschaft mitverwaltete, nahm 1601 den Juden Isak von Gunstetten bei Hagenau ohne Tribut nach Kuppenheim in den Schutz auf, damit er am markgräflichen Hofe „die Bethgewande (Bettwäsche) in dem mit ihm überkommenen Lohn... der Gebühr nach säubere, bereite und wasche". Die Reinigung der markgräflichen Bettwäsche besorgten wohl seine Mägde, denn er selbst übte den Beruf eines Glasers aus. Die Kuppenheimer Glaser machten ihm allerdings die Ausübung seines erlernten Handwerks bald streitig, so dass Isak seinen Anteil an den von den Juden der oberen Markgrafschaft für 1606 zu zahlenden 400 Gulden Schutzgeld nicht aufbringen konnte. 1611 wurden zwei Schutzjuden aus Salzburg für fünf Jahre aufgenommen. 1614 waren zwei jüdische Haushaltungen in Kuppenheim. 1619 wurden die Judenzölle an der Stadtgrenze von 6 auf 12 Batzen erhöht. Bald darauf vertrieb Markgraf Georg Friedrich (1604-1622) die Juden aus beiden Markgrafschaften. Nach dem Dreißigjährigen Krieg kehrten sie zurück. 1683 zählte man in Kuppenheim schon wieder 10 Judenfamilien, 1700 6, 1701 3, 1721 5, 1724 7 und 1796 ebenfalls 7.

Der Erwerb von Häusern gelang den Juden in Kuppenheim leichter als anderswo. In einem Gutachten zum Entwurf der Judenordnung von 1714 wurde vorgeschlagen, die drei am Kirchhof in eigenen Häusern wohnenden Juden in Seitengassen umzusiedeln. Ihre Häuser sollten abgeschätzt und Christen überlassen werden. Der Erlös aus den Häusern von zwei Juden sollte zur Befriedigung ihrer Gläubiger verwendet werden; dem Dritten sollte sein Anteil ausgehändigt und ihm ein Bauplatz, jedoch nicht unter den Christen, angewiesen und zum Bau eines neuen Hauses sechs Monate Zeit gegeben werden.

Im 19. Jahrhundert wuchs die jüdische Gemeinde weiter an. In der zweiten Hälfte jedoch wanderten die Kinder in der Regel nach Amerika aus, da sie hier keine Erwerbsmöglichkeiten fanden. Dadurch ging die Seelenzahl stetig zurück. 1801 lebten in Kuppenheim 53 Juden, 1813 69, 1825 108, 1834 125, 1865 142, 1875 121, 1900 94, 1925 70 und 1933 51.

1827 wurde die jüdische Gemeinde, die sich 1825 eine Synagoge erbaut hatte, dem Rabbinatsbezirk Bühl zugewiesen. Der Kuppenheimer Judenfriedhof, auf dem Juden zahlreicher mittelbadischer Gemeinden ruhen, gehört wegen seines hohen Alters und seiner romantischen Lage zu den schönsten des Landes. Seine Entstehung ist von einer Sage umwoben. Eine Gräfin von Eberstein aus jüdischem Geblüt habe auf ihrem Totenbett gewünscht, dass man ihren Leichnam auf einen mit vier Ochsen bespannten Karren lade und das Gespann führerlos treiben lasse. Da, wo es anhalte und nicht mehr weiter wolle, solle man sie zur letzten Ruhe betten. Auf dem Merkelkopf bei Kuppenheim soll das seltsame Gespann angehalten haben und die jüdische Gräfin von Eberstein dort begraben worden sein. Diese Begebenheit soll sich 1692 abgespielt haben. Seit diesem Jahr werden auch die Begräbnisbücher des jüdischen Friedhofs in Kuppenheim geführt. Allerdings ist dem Urheber der Sage entgangen, dass das Geschlecht der Grafen von Eberstein bereits 1660 ausgestorben und die Witwe des letzten Grafen nach Württemberg gezogen ist. Auf dem Friedhof steht ein Ehrenmal der jüdischen Teilnehmer am Ersten Weltkrieg aus Kuppenheim, von denen Karl Dreyfuß gefallen ist.

Während der Märzunruhen 1848 verrichtete die israelitische Gemeinde täglich für die Unterdrückung des Aufstandes und die Rückkehr des geflüchteten Großherzogs ein Gebet. Sonst betätigten sich die Juden politisch nicht. Einige waren Mitglieder verschiedener örtlicher Vereine. Israelitische Vereine bestanden keine. Ihren Lebensunterhalt verdienten sich die Kuppenheimer Juden durch den Handel mit Vieh, Eisenwaren und Textilien. Vor 1933 waren in jüdischem Besitz ein Eisenwarengeschäft, ein Manufakturwarengeschäft, eine Metzgerei und ein Reisegeschäft in Textilien. Zwei Juden trieben Pferdehandel, fünf Viehhandel. Die beiden taubstummen Schwestern Blondine und Coelestine Kahn fanden ihr Auskommen als Damenschneiderinnen.

Nach Hitlers Machtübernahme verloren die Juden durch die wirtschaftliche und gesellschaftliche Diskriminierung nach und nach ihre Existenzgrundlage. Bis 1938 kamen alle jüdischen Geschäfte zum Erliegen. In der Kristallnacht im November 1938 wurde die Synagoge eingeäschert und die jüdischen Männer nach Dachau verbracht. Heinrich Dreyfuß starb dort an den Folgen erlittener Misshandlungen am 24. November 1938. In Kuppenheim starben nach 1933 noch 5 Juden, 8 sind innerhalb Deutschlands umgezogen, 21 nach den USA, je 1 nach England, Frankreich und Chile ausgewandert. Am 22. Oktober 1940 wurden 16 jüdische Einwohner nach Gurs deportiert. Von ihnen wurden 5 befreit. 4 starben in den Lagern Gurs und Noe, und mindestens 4 wurden in Auschwitz ermordet, unter ihnen die 86jährige Maria Dreyfuß.

Heute leben keine Juden mehr in Kuppenheim. Nur der jüdische Friedhof überdauerte den Wandel der Zeit.
 

In dieser Studie nachgewiesene Literatur

  • Stiefvater, Oskar, Aus der Geschichte der mittelbadischen Stadt Kuppenheim, in: Festschrift zur Feier der Wiederverleihung des Stadtrechts an Kuppenheim, 1950.

 

Zitierhinweis: Hundsnurscher, Franz/Taddey, Gerhard: Die jüdischen Gemeinden in Baden, Stuttgart 1968, Beitrag zu Kuppenheim, veröffentlicht in: Jüdisches Leben im Südwesten, URL: […], Stand: 20.12.2022

Lektüretipps für die weitere Recherche

  • Hahn, Joachim/Krüger, Jürgen, „Hier ist nichts anderes als Gottes Haus...“. Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen, hg. von Rüdiger Schmidt (Badische Landesbibliothek, Karlsruhe) und Meier Schwarz (Synagogue Memorial, Jerusalem), Stuttgart 2007.
  • Linder, Gerhard Friedrich, Die jüdische Gemeinde in Kuppenheim, Ubstadt/Weiher 1999.
  • Mohr, Günther, Der „Ort des Lebens in Kuppenheim“. Steinerne Zeugnisse der jüdischen Lebenswelt im mittleren Baden, in: Die Ortenau. Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden, Bd. 91 (2011), S. 421-428.
  • Stiefvater, Oskar, Geschichte und Schicksal der Juden im Landkreis Rastatt, in: Um Rhein und Murg 5 (1965), S. 42-83.
  • Württemberg - Hohenzollern – Baden (Pinkas Hakehillot. Encyclopedia of Jewish Communities from their foundation till after the Holocaust), hg. von Joseph Walk, Yad Vashem/Jerusalem 1986, S. 470-472.
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