Buchen

Die Synagoge in Buchen mit Anbau für Lehrerwohnung, Schule und rituellem Bad, vor 1938. Im Sommer 1938 verkaufte die jüdische Gemeinde das Gebäude. Trotzdem wurde die Inneneinrichtung während der Pogrome im November 1938 zerstört, das Haus im Jahr darauf abgebrochen. [Quelle: Landesarchiv BW, HStAS EA 99/001 Bü 305 Nr. 238]
Die Synagoge in Buchen mit Anbau für Lehrerwohnung, Schule und rituellem Bad, vor 1938. Im Sommer 1938 verkaufte die jüdische Gemeinde das Gebäude. Trotzdem wurde die Inneneinrichtung während der Pogrome im November 1938 zerstört, das Haus im Jahr darauf abgebrochen. [Quelle: Landesarchiv BW, HStAS EA 99/001 Bü 305 Nr. 238]

Dieser Beitrag stammt aus der Studie von Franz Hundsnurscher und Gerhard Taddey, Die jüdischen Gemeinden in Baden. Denkmale, Geschichte, Schicksale, hg. von der Archivdirektion Stuttgart (Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg 19), Stuttgart 1968.

Die Studie wird hier in der Originalfassung als Volltext zugänglich gemacht und separat bebildert. Inhalte und Sprachgebrauch entsprechen dem Stand von 1968. Weitere Informationen zur Entstehung und Einordnung der Studie finden Sie hier.

Um 1255/56 wurde Buchen von Konrad von Dürn zur Stadt erhoben, 1296 an das Erzstift Mainz verpfändet, 1303 zum Teil, 1309 vollständig verkauft. 1803 fiel es an das neugebildete Fürstentum Leiningen und mit diesem 1806 an Baden.

Eine jüdische Gemeinde bestand in Buchen bereits in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts. In den Verfolgungen von 1336-38 und 1349 wurde die Gemeinde zerstreut, aber nicht alle Mitglieder kamen ums Leben. Schon wenige Jahre später lebten wieder Juden in der Stadt. 1358 verlieh Erzbischof Gerlach von Mainz ihnen die Gnade, dass sie nur vor dem Amtmann zu Miltenberg verklagt werden durften. 1378 verlieh Erzbischof Adolf den Juden der neun oberen Städte des Erzbistums, wozu auch Buchen zählte, einen Schutzbrief, durch den sie von allen außerordentlichen Steuern befreit und der Hilfe des Fürstbischofs beim Einzug ihrer Forderungen versichert wurden. Streitigkeiten untereinander sollten durch den Judenhochmeister Isaak in Dieburg geschlichtet werden.

Für das 15. und 16. Jahrhundert fehlen Nachrichten über die jüdische Gemeinde in Buchen. Da jedoch die meisten Mainzer Erzbischöfe den Juden wohlgesinnt waren, ist anzunehmen, dass während dieser Zeit ununterbrochen Juden in der Stadt lebten. Zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges vermehrte sich ihre Zahl so stark, dass der Rat den Landesherrn um Niederlassungsbeschränkung bat. 1649 mussten alle diejenigen, die sich ohne kurfürstlichen Schutzbrief in Buchen aufgehalten hatten, innerhalb von drei Wochen die Stadt verlassen. Einige dieser Ausgewiesen fanden im nahegelegenen Hainstadt Aufnahme, das zum Hochstift Würzburg gehörte.

Um 1668 wohnten in Buchen 5 Schutzjuden und 1 Judenwitwe, 1743 bereits 12 Familien. Die jährliche Schutzgebühr betrug für einen Mann 20 und für eine Frau 10 Gulden. 1825 betrug die Seelenzahl 125, 1862 150, 1875 108, 1900 63, 1925 40 und 1933 34. Im Ersten Weltkrieg fielen Berthold Bär und Gustav Böttigheimer. Die aus dem 18. Jahrhundert stammende baufällige Synagoge brannte 1861 ab. An ihrer Stelle in der Vorstadtstraße wurde am 31. Oktober 1862 der Grundstein zu einer neuen Synagoge gelegt, die 1864 als die schönste im Bezirk eingeweiht wurde. Einen eigenen Friedhof besaß die Gemeinde nicht. Die Toten wurden auf dem Verbandsfriedhof in Bödigheim bestattet. Seit 1827 gehörte Buchen zum Rab­binatsbezirk Merchingen.

Bereits 1784 hielt der Mainzer Erzbischof die jüdischen Kinder zum Besuch der christlichen Schulen an, um sich dort zu tüchtigen kurfürstlichen Untertanen zu bilden. Eigene jüdische Schulen konnten nicht errichtet werden, da die Gemeinden sehr zerstreut lagen und häufig recht arm waren. Das Schulgeld sollte für die Judenkinder gleich dem der Christenkinder sein. Lehrern wie Schülern wurde aufgetragen, den Judenkindern mit Rücksicht zu begegnen und sie tolerant zu behandeln. Für die Erteilung des Religionsunterrichts wurde in Aschaffenburg und in Buchen je ein geprüfter Judenlehrer mit 200 Gulden Jahresgehalt angestellt. Von 1834 bis 1877 besaß die jüdische Gemeinde eine eigene Volksschule, die im Durchschnitt von 20 Kindern besucht wurde. Zur Unterstützung Hilfsbedürftiger sowie für die Pflege der Kranken und die rituelle Bestattung der Glaubensgenossen gab es einen Frauenverein und einen 1861 gegründeten Männerverein. Die Zionistische Vereinigung für Deutschland zählte 1936 in Buchen 32 Mitglieder.

Ihren Lebensunterhalt fanden die Buchener Juden im Handel mit Vieh, Getreide, Grundstücken und Textilien bei den Bauern in den umliegenden Odenwalddörfern. Von 1862 bis 1937 war die jüdische Gemeinde auf ein Sechstel durch Abwanderung zusammengeschmolzen. Damit war auch ihre wirtschaftliche Bedeutung für die Stadt immer mehr zurückgegangen. Zu Beginn des Dritten Reiches gab es nur noch fünf jüdische Gewerbebetriebe, nämlich einen Handel mit Landesprodukten, Fetten und Ölen und vier Manufakturwarenhandlungen.

Durch den nationalsozialistischen Boykott sind die Buchener Juden rasch verarmt. Seit 1938 mussten sie meist als Taglöhner arbeiten und hatten unter gelegentlichen Schikanen, selbst der Jugend, zu leiden. Von den 1933 anwesenden 34 Juden sind 4 noch in der Heimat gestorben, 13 umgezogen und 12 nach den USA, England oder Südrhodesien ausgewandert. Die 5 letzten Juden wurden am 22. Oktober 1940 über Mosbach nach Gurs verschleppt. Albert Oppenheimer konnte 1946 von Frankreich nach den USA auswandern. Sein Vater Josef starb 1941 in Gurs, seine Mutter Helene kam 1942 in Auschwitz ums Leben. Die Spuren des Ehepaares Jakob und Hedwig Bär verlieren sich in Gurs. Der jüdische Mundartdichter Jakob Mayer, dessen Namen heute eine Straße in Buchen trägt, nahm sich 1939 mit 73 Jahren das Leben.

Die Buchener Synagoge wurde in der Kristallnacht nicht zerstört, da sie wenige Monate vorher verkauft worden war. Der Eigentümer brach sie 1939 ab und errichtete an ihrer Stelle eine Autoreparaturwerkstatt.

Aus Buchen stammt der heute in Israel als führender Künstler wirkende Maler Ludwig Schwerin. Zu seinem 70. Geburtstag wurde 1967 eine Buchener Straße nach ihm benannt. William (Willi) Wertheimer war bis 1938 Religionslehrer für Buchen und mehrere umliegende Gemeinden. Er verlor durch das nationalsozialistische Regime sieben Geschwister mit ihren Familien. Er und seine Brüder hatten im Ersten Weltkrieg ihren Mann an der Front gestanden. Er selbst konnte noch 1938 mit seiner Familie nach den USA auswandern. Nach dem Krieg betrieb er von dort aus die Pflanzung von Gedächtnishainen in Israel und trug damit zum Aufbau des Staates Israel bei. Er wurde 1962 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.

 

In dieser Studie nachgewiesene Literatur

  • Breuning, August, Kurze Geschichte der Stadt und Pfarrei Buchen, in: Freiburger Diözesanarchiv 13, 1880.
  • Schmitt, Fritz, Die Kreisstadt Buchen, in: Heimat und Arbeit, Der Kreis Buchen, 1964.

 

Zitierhinweis: Hundsnurscher, Franz/Taddey, Gerhard: Die jüdischen Gemeinden in Baden, Stuttgart 1968, Beitrag zu Buchen, veröffentlicht in: Jüdisches Leben im Südwesten, URL: […], Stand: 20.12.2022

Lektüretipps für die weitere Recherche

  • Brosch, Helmut, Buchen in alten Ansichten, 1979.
  • Germania Judaica, Bd. 3, 1. Teilband, hg. von Arye Maimon/Mordechai Breuer/Yacov Guggenheim, Tübingen 1987, S. 186-187.
  • Hahn, Joachim/Krüger, Jürgen, „Hier ist nichts anderes als Gottes Haus...“. Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen, hg. von Rüdiger Schmidt (Badische Landesbibliothek, Karlsruhe) und Meier Schwarz (Synagogue Memorial, Jerusalem), Stuttgart 2007.
  • Schwerin, Alfred/Schwerin, Ludwig, Jahresringe, hg. von Helmut Brosch, 1988.
  • Trunk, Rainer, Die jüdische Gemeinde Buchen, in: 700 Jahre Stadt Buchen. Beiträge zur Stadtgeschichte, Buchen 1980, S. 83-98 und S. 174-177.
  • Trunk, Rainer, Jüdisches Buchen (Orte jüdischer Geschichte und Kultur), Haigerloch 2007.
  • Twiehaus, Christiane, Synagogen im Großherzogtum Baden (1806-1918). Eine Untersuchung zu ihrer Rezeption in den öffentlichen Medien, (Schriften der Hochschule für jüdische Studien Heidelberg), Heidelberg 2012, S. 29-31.
  • Wertheimer, Willi, Zwischen zwei Welten. Der Förster von Brooklyn. Lebenserinnerungen des ehemaligen jüdischen Lehrers in Eubigheim und Buchen in Baden, 1980.
  • Württemberg - Hohenzollern – Baden (Pinkas Hakehillot. Encyclopedia of Jewish Communities from their foundation till after the Holocaust), hg. von Joseph Walk, Yad Vashem/Jerusalem 1986, S. 262-264.
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