Bigesel und Schwarze Gesellen am Nikolausabend in Unterentersbach, 1965, Sammlung des Badischen Landesmuseums Karlsruhe
Bigesel und Schwarze Gesellen am Nikolausabend in Unterentersbach, 1965, Sammlung des Badischen Landesmuseums Karlsruhe

Unterentersbach ist ein Ortsteil von Zell am Harmersbach. Hier kommt der Nikolaus in Begleitung des „Bigesel“, des Rupelz und Schwarzer Gesellen. Bei Einbruch der Dunkelheit geht es los mit Kettengeklirr und Urschreien. Die Darsteller des Bigesel sind zwei Personen unter einer grauen Decke mit Maske. Damit er nicht die Orientierung verliert, führen Gesellen die Figur. Ihre Gesichter sind schwarz bemalt. Die Klöpfer, die für die Erzeugung des Lärms zuständig sind, begleiten die Gruppe. In die Häuser zu den Kindern geht der Nikolaus mit einer kleineren Abordnung. Wer aber nicht aufpasst wird von der ganzen wilden Truppe überrannt. Zum Abschied erhalten die Familien Ruten aus Birkenzweigen, die in gemeinschaftlicher Aktion gebunden und von den Schwarzen Gesellen verteilt werden.

Bemerkenswerterweise ist die Dorfkirche von Unterentersbach dem hl. Nikolaus geweiht. Der erste Kirchenbau von 1666 wurde 1786 ersetzt. Altarbild und Deckengemälde zeigen Nikolaus-Darstellungen.

In diesem Jahr findet der Umzug in veränderter Form statt. Der Nikolaus, der sich verpflichtet hat sein Amt über mehrere Jahre auszuüben und dazu nicht verheiratet sein darf, zelebriert zusammen mit Ruprecht den Brauch vor der Türschwelle. Die schwer kontrollierbaren Gesellen müssen leider verzichten.

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Hildabrödle, Rezept nach Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg
Hildabrödle, Rezept nach Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg

Sie heißen Spitzbuben oder Linzer Plätzchen und im Badischen werden sie gerne als Hildabrötle bezeichnet: Ausstecherle aus Mürbeteig, gefüllt mit Marmelade. Es wird berichtet, dass die badische Großherzogin Hilda (1864-1952) sie gerne mochte und auch selbst zum Wellholz griff.

Der Mürbeteig für ein Blech Brötle besteht aus 300g Mehl, 125g Zucker, 1 Päckchen Vanillezucker, 1 Ei und 150g kalter Butter. Den Teig eine Stunde kalt stellen, dann auswellen und runde Plätzchen ausstechen, die Hälfte mit Loch, sodass kleine Kränze entstehen. Bei 150-180 Grad etwa 15 Minuten backen und auskühlen lassen. Die Kränzchen mit Puderzucker bestäuben oder mit Zuckerglasur überziehen, die Plätzchen mit erwärmter Marmelade oder Gelee (Himbeer, Johannisbeer oder auch Hagebutte) bestreichen, die Kränzchen aufsetzen. Die einfachen, fruchtigen Plätzchen scheinen gut zu der freundlichen, zurückhaltenden Hilda gepasst zu haben.

Hilda, eine geborene Prinzessin von Nassau, heiratete am 20. November 1885 Friedrich Wilhelm von Baden, den späteren Großherzog Friedrich II. Das Herzogtum Nassau war 1866 nach dem Preußisch-Österreichischen Krieg von Preußen annektiert worden. Mit der Heirat wurde Luise, Tochter des preußischen Königs und Kaisers Wilhelm I., Hildas Schwiegermutter. Die Verbindung sollte eine vorsichtige Wiederannäherung der beiden Häuser einleiten. Nach der Hochzeit lebte das Paar in verschiedenen Garnisonsorten. Der erhoffte Kindersegen blieb aus, doch Hilda wanderte gerne und liebte den Schwarzwald. Nach dem Tod Friedrichs I. trat das Paar 1907 die großherzogliche Nachfolge an, doch dachte Luise nicht daran, ihre caritativen Aufgaben abzugeben. Im November 1918 flüchtete die Familie nach Zwingenberg, der Großherzog dankte ab. Die Ereignisse hielt Luise in ihren Aufzeichnungen fest. Nach einer Zwischenstation auf Schloss Langenstein im Hegau ließ sich das Paar in Freiburg nieder. Friedrich starb am 9. August 1928 in Badenweiler. Hilda blieb in Freiburg bis zum Bombardement vom 27. November 1944. Sie starb in hohem Alter am 8. Februar 1952 in Badenweiler und wurde in der Karlsruher Familiengruft beigesetzt.

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Drei Grazien, Vertreibung aus dem Paradies, Geldzähler und Menschenfresserin von Leonhard Kern, Sammmlung des Landesmuseums Württemberg. Links und Erläuterungen zu den Einzelobjekten s.u.
Drei Grazien, Vertreibung aus dem Paradies, Geldzähler und Menschenfresserin von Leonhard Kern, Sammmlung des Landesmuseums Württemberg. Links und Erläuterungen zu den Einzelobjekten s.u.

Der Bildhauer Leonhard Kern gehörte zu den bedeutensten Bildhauern seiner Zeit. Er wurde am 2. Dezember 1588 als Sohn einer im hohenlohischen Forchtenberg ansässigen Künstlerfamilie geboren. Zunächst lernte Leonhard bei seinem älteren Bruder Michael, der sich für einige Jahre in Würzburg niedergelassen hatte. Nach einem längeren Studienaufenthalt in Italien und einem Abstecher nach Nordafrika heiratete er 1614 in Forchtenberg Amalie Zöller. Als nächste Stationen folgten Heidelberg und Nürnberg, bevor Schwäbisch Hall 1620 zum neuen Lebensmittelpunkt wurde.

Es waren die Jahre des Dreißigjährigen Krieges. Dies und die guten Verdienstmöglichkeiten mögen dazu beigetragen haben, dass nach ersten Großaufträgen in den folgenden Jahren hauptsächlich Kleinskulpturen entstanden. Die Einzelfiguren und Gruppen, vorwiegend Aktdarstellungen, folgen biblischen oder mythologischem Vorbildern. Wiedergegeben sind aber auch Genreszenen wie der Geldzähler oder Horroszenarien wie die Menschenfresserin. Diese beiden Stücke befinden sich heute im Landesmuseum Württemberg. Sicherlich hatte sich der Krieg auf die eine oder andere Motivwahl ausgewirkt. Da die Skulpturen meist für Sammlungen wohlhabender Bürger oder Adliger bestimmt waren, dürften die Wünschen der Kunden berücksichtigt worden sein. Für die virtuos ausgeführten Schnitzereien wurden Buchenholz oder Elfenbein verwendet, gerne auch Alabaster, mit dem es eine besondere Bewandtnis hatte. Der weiß schimmernde, fast durchscheinende Stein besteht aus besonderen Gipssedimenten. Er lässt sich leicht verarbeiten und ist wasserlöslich, was ihn für den Außenraum untauglich macht. Eines dieser Gipslager befindet sich unter der Stadt Forchtenberg und wurde bis vor einigen Jahren unterirdisch abgebaut. Die Familie Kern verfügte über einen eigenen, direkt über das Haus zugänglichen Stollen.

Nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges wurde Leonhard Kern zum Hofbildhauer des brandenburgischen Kurfürsten ernannt. Seine letzten Lebensjahre verbrachte er auf dem Landschlösschen in Tullau bei Schwäbisch Hall. Schon zu Lebzeiten hatte er sich einen bedeutenden Ruf erworben, der den internationalen Vergleich nicht zu scheuen brauchte und der sich darin äußerte, dass er in Sandrarts 1675 erschienene Teusche Academie Eingang fand, eine Beschreibung der zeitgenössischen künstlerischen Welt. Bis heute entfalten die glanzvoll polierten Figuren und Gruppen im Zusammenspiel von Komposition, Haltung und Gestik eine ausdrucksstarke Wirkung.

Erläuterungen zu den einzelnen Objekten

Drei Grazien
Vertreibung aus dem Paradies
Geldzähler
Menschenfresserin

Weitere Details über die Künstlerfamilie Kern

 

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Vexierschlitten 1720
Spaß-Schlitten, "Vexierschlitten" des Herzogs Eberhard Ludwig von Württemberg [Quelle: Landesmuseum Württemberg]

Prachtvolle Schlittenaufzüge waren bei den württembergischen Herzögen äußerst beliebt. Sie dienten einerseits dem Vergnügen der Hofgesellschaft und andererseits der Repräsentation und Machtdemonstration. Die Ausfahrten hatten nicht selten den Charakter eines Bühnenspektakels, die reich geschmückten Gespanne wurde musikalisch mit Pauken und Trompeten begleitet und die Hofgesellschaft trug Festkleidung.  Zur Schlittensammlung, die sich im Besitz des Landesmuseums Württemberg befindet, gehört auch dieser Schlitten, der vor allem in der Karnevalszeit eingesetzt wurde, wenn gleich im Anschluss an die Schlittenfahrt ein Maskenball im Stuttgarter Schloss oder im Lusthaus stattfand. Auf dem sogenannten „Vexierschlitten“ (französisch: vexer = ärgern, hänseln) des Herzogs Eberhard Ludwig von Württemberg aus dem Jahr 1720 fanden zwei Personen Platz, wobei der hintere Sitz meist mit dem Hofnarr besetzt wurde. Betätigte der Fahrer einen vorn an seinem Sitz versteckten Mechanismus, zerfiel der Schlitten in zwei Teile: Nur noch der vordere Teil wurde vom Pferd weitergezogen, der hintere blieb stehen und der Passagier steckte fest; das schadenfrohe Gelächter der davonfahrenden Hofgesellschaft war ihm sicher. (JH)

Literatur: Württembergisches Landesmuseum, Fischer, Fritz (Bearb.) , 2002: Dem Volk zur Schau. Prunkschlitten des Barock. Die Schlittensammlung des Württembergischen Landesmuseums Stuttgart, München, Kat. Nr. 8.

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Der Dorfbüttel kündigt den Christbaumverkauf an, Abendschau, 22.12.1964, Quelle SWR Retro.
Der Dorfbüttel kündigt den Christbaumverkauf an, Abendschau, 22.12.1964, Quelle SWR Retro.

Heute ist der erste Advent. Im Advent 1964 zeigte der SWR einen Film über die Vorweihnachtszeit in dem kleinen Ort Vilchband, Ortsteil der Gemeinde Wittighausen im Main-Tauber-Kreis, nicht weit von der Grenze nach Bayern. Damals hatte der Ort 360 Einwohner. Die Zahl war über einen längeren Zeitraum konstant geblieben. Heute sind es nur noch rund 280.

Den Christbaumverkauf verkündet der Dorfbüttel. Die Kinder basteln abends mit den Müttern, die Männer proben beim Blasorchester Weihnachtsstücke. Das Leben sei traurig hier, sagt der Dirigent. Es ist kein armes Dorf. Den Alltag prägen die Landwirtschaft auf den große Höfen und die Arbeit im Wald. Noch gibt es einen Krämerladen, Handwerker üben ihre Tätigkeit mit einfachen Mitteln aus. 1964 ist das Jahr mit der höchsten Geburtenrate vor dem Pillenknick. Die Familien sind groß und so besuchen 60 Kinder die Dorfschule. Der Weg in die höheren Schulen ist zu umständlich.

Doch auch hier ist die Zeit nicht stehengeblieben. Bald wird es keine Zugtiere mehr geben. Der Sohn des Schmieds wird Automechaniker lernen. 36 Pendler arbeiten im Umland, davon fahren einige mit dem Rad zur nächsten Bahnstation und von da nach Würzburg. Die Kirche bietet erstmals einen Adventskaffee für die Älteren an.

Ein Dorf im Advent, Abendschau vom 22.12.1964 in SWR Retro.

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