Bruchsal

Die Synagoge in Bruchsal, vor 1938. Das Gebäude wurde während der Pogrome im November 1938 durch Inbrandsetzung zerstört. [Quelle: Landesarchiv BW, HStAS EA 99/001 Bü 305 Nr. 221]
Die Synagoge in Bruchsal, vor 1938. Das Gebäude wurde während der Pogrome im November 1938 durch Inbrandsetzung zerstört. [Quelle: Landesarchiv BW, HStAS EA 99/001 Bü 305 Nr. 221]

Dieser Beitrag stammt aus der Studie von Franz Hundsnurscher und Gerhard Taddey, Die jüdischen Gemeinden in Baden. Denkmale, Geschichte, Schicksale, hg. von der Archivdirektion Stuttgart (Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg 19), Stuttgart 1968.

Die Studie wird hier in der Originalfassung als Volltext zugänglich gemacht und separat bebildert. Inhalte und Sprachgebrauch entsprechen dem Stand von 1968. Weitere Informationen zur Entstehung und Einordnung der Studie finden Sie hier.

Bruchsal befand sich seit 1056 im Besitz der Bischöfe von Speyer, die dem Ort im 13. Jahrhundert Stadtrechte verliehen. Nach der Zerstörung der Stadt Speyer 1689 wurde Bruchsal zunächst aushilfsweise, 1720 jedoch endgültig Bischofsresidenz und fiel 1803 mit dem rechtsrheinischen Teil des Hochstifts an Baden.

Während in Speyer die Anwesenheit von Juden seit 1084 bezeugt ist, wird der Aufenthalt von Juden im hochstiftischen Landgebiet erst vom 14. Jahrhundert an beurkundet. 1337 vereinbarte Bischof Gerhard mit der Judenschaft zu Landau, Bruchsal, Waibstadt und Udenheim für den Schutz eine jährliche Zahlung von 700 Pfund Heller Bede statt aller einzelnen Steuern und Dienste. Er versprach dafür, auswandernde Juden vier Meilen weit geleiten zu lassen, auch keine weiteren Juden ohne die Zustimmung derer in Landau und Bruchsal aufzunehmen. In Geldverlegenheiten wandten sich die Bischöfe wiederholt an ihre Juden. 1341 versprach Bischof Gerhard, die ihm vorgestreckten 400 Pfund Heller auf die nächstfällige Judensteuer anzurechnen. Um 1344 gab es in Bruchsal eine Judengasse - das heutige Openloch - und eine Synagoge. Demnach scheint hier eine ansehnliche Gemeinde bestanden zu haben, deren Mitglieder gleich denen in Speyer angeblich damals bereits Bürgerrecht besessen haben sollen. Während der Judenverfolgung im Jahre 1349 wurde die Gemeinde vernichtet. Gänzlich waren aber die Juden nicht aus dem Hochstift verschwunden, denn noch im gleichen Jahre verpfändete Karl IV. die ihm von den hochstiftischen Juden zustehenden Zinsen an ihren Bischof Gerhard. Dieser forderte seine Juden auf, ihren „Irrglauben" abzulegen, hatte aber damit keinen Erfolg. Deshalb ordnete er an, dass jeder Jude über fünf Jahre einen gelben Ring offen auf der Brust tragen und sich in der ganzen Kleidung von den Christen unterscheiden solle. Jede Jüdin solle zwei blaue Streifen am Schleier als Kennzeichen tragen.

In Bruchsal waren spätestens 1619 wieder Juden ansässig. Nach dem Dreißigjährigen Krieg, in dem das Hochstift wie kaum ein anderes deutsches Land gelitten hatte, mehrte sich die Zahl der Juden im Hochstift, da die Bischöfe sie der Einkünfte wegen schützten. Bischof Lothar von Metternich ließ 1671 an alle Untertanen den Befehl ergehen, „dass wann hinfüro einige Menschen, es seien Beamte, Bediente oder Untertanen, geist- oder weltlich, niemand ausgenommen, sich gegen einheimische, ausländische oder fremde Juden mit Plagen, Schelten oder einigen ohngebührlichen Anfechtungen vergreifen oder beleidigen würde, der oder dieselbe alsdann ohnnachläßiger Strafe solle verfallen sein". 1685 übertrug Bischof Johann Hugo von Orsbeck dem Juden Schmul in Bruchsal und seinem Beistand Herz die Befugnis, Juden bei Zeremonial- und Sittenvergehen zu bestrafen. Die Juden wurden aufgefordert, diesen beiden Vorgesetzten Gehorsam zu leisten. In Bruchsal lebten damals 18 jüdische Familien, die Häuser und Weinberge erwerben durften.

Diese Zahl scheint aber dem folgenden Bischof Heinrich Hartard von Rollingen zu groß gewesen zu sein; denn nach seinem Regierungsantritt (1712) erhielten die Juden, deren Schutzbrief nicht erneuert worden war, die Aufforderung, „in Zeit von drei Monaten Gelegenheit anderwärts zu suchen und das Hochstift zu räumen". Für die links- und rechtsrheinischen Juden seines Landes ernannte der Bischof zwei Obervorsteher.

Fürstbischof Damian Hugo von Schönborn (1719-1743), der Erbauer des Bruchsaler Schlosses, wollte nur vermögende Juden im Lande haben. Sie mussten die Pferde für seine Leibwache anschaffen. Von 1732 an hatten sie auch die Beleuchtung des Schlosses und der Hofkirche herbeizuschaffen und zu diesem Zwecke jährlich „sauberes, reines und ganz feines gelbes Wachs abzugeben: ein verheirateter Jude 2, Witwer oder Witwe 1, Junggesell oder Mägdlein über 12 Jahr ¾, Buben oder Mädel von 7 bis 12 Jahren ½ Pfund, es seien Knecht oder Magd". Für die Hirschjagd mussten sie einen Zentner Federn liefern. Von 1740 an hatte jeder ledige Jude vom 25. Lebensjahre an volles Schutzgeld zu zahlen, obwohl er nicht als Schutzbürger galt. Damals wohnten von den 49 rechtsrheinischen Judenfamilien 11 in Bruchsal.

Schönborns Nachfolger, Kardinal Franz Christoph von Hutten, fand bei seinem Regierungsantritt (1743) ein wohlgeordnetes Staatswesen vor. Er entfaltete einen prunkvollen Hofstaat und vervollständigte die Innenausschmückung des Bruchsaler Schlosses. Dazu brauchte er auch das Geld der Juden, deren Schutz in allen seinen Formen er als den weitaus ergiebigsten „Fundus" ansah. Bald nach seinem Regierungsantritt bat die Judenschaft um die Abschaffung des Eides, mit dem seither die Eltern bei Verheiratung von Kindern außer Landes die Mitgift offenbaren mussten. Den Eltern sollte erlaubt werden, ein verheiratetes Kind bei sich zu behalten, und bei Ausgabe der neuen Schutzbriefe sollte das Schutzgeld wie in anderen Gebieten auf die Gesamtheit umgelegt werden. Für die Gewährung dieser Wünsche erboten sich die Bittsteller, 450 Speziesdukaten zu zahlen. Im März 1744 wurde den Juden ein Freiheitsbrief im Sinne ihrer Bitten ausgestellt. Doch von 1749 an häuften sich wieder Anordnungen zum Nachteil der Juden.

Fürstbischof von Limburg-Stirum beseitigte kurz nach seinem Regierungsantritt 1770 das Privileg seines Vorgängers. Bald ließ er die Abzugsgelder wieder nach einer eidlichen Angabe über das Vermögen entrichten. Ausländische Frauen mussten bei Einheirat und Witwer bei Wiederverheiratung Abgaben entrichten. Die Schutzbriefe mussten alle fünf Jahre erneuert, das Schutzgeld ab 1792 monatlich gezahlt werden. Das strenge Vorgehen des Bischofs hatte zur Folge, dass viele Juden verarmten und manche das Hochstift verließen. 1785 wohnten im rechtsrheinischen Hochstift 60 Judenfamilien, davon 14 in Bruchsal. Familiennamen wie in der Pfalz und in Baden treten noch nicht auf. Der letzte Speyerer Fürstbischof, Wilderich von Waldersdorf, hob die strengen Maßnahmen seines Vorgängers teilweise auf. Das Schutzgeld betrug unter ihm jährlich 20 Gulden, dazu kam ein Neujahrsgeld von 2 Gulden 45 Kreuzern.

Seit alter Zeit nahm der Wormser Rabbiner die Rabbinatsfunktionen in Bruchsal wahr. 1656 wurde ein diesbezüglicher Vertrag erneuert. Als 1712 der Wormser Rabbiner gestorben war, wünschte ein Teil der Juden des Hochstifts Speyer einen eigenen Rabbiner. Der damalige Judenschultheiß Süßel von Bruchsal, der seit 1704 dieses Amt bekleidete und als bischöflicher Hofjude eine einflussreiche Persönlichkeit war, wandte sich energisch dagegen, weil der Wormser Rabbiner die speyerischen Juden jährlich nur 10 Reichstaler, ein eigener Rabbiner mit Weib und Kind aber 400 bis 500 Gulden im Jahr koste. So blieb der Wormser Rabbiner zuständig, und erst 1738 erlaubte Bischof Damian Hugo, einen ledigen Rabbiner in Bruchsal anzustellen. Der erste Inhaber des neuen Amtes war von 1740 bis 1743 Isaak Weil aus Uhlfeld in Bayern, ein Schwiegersohn des reichen David Günzburger in Breisach, der sich vergeblich bemühte, ihm eine Rabbinerstelle in Sulzburg zu beschaffen. Anscheinend wirkten Weil und sein Nachfolger Lewin Löb Calvaria nur als Hausrabbiner beim Judenschultheißen Süßel, denn noch 1746 sprechen die Juden des Hochstifts von „unserem Rabbiner in Worms". Erst 1752 wurde Calvaria durch bischöfliches Dekret zum Rabbiner der gesamten Judenschaft des Hochstifts Speyer ernannt. Ihm folgten Wolf Hüttenbach, Jakob Weil und Juda Oppenheim.

1750 klagte der alte Judenschultheiß Süßel, er habe in seiner 46jährigen Vorstandschaft keinen solchen Verdruss gehabt wie jetzt, da jeder der Schutzjuden sein eigener Herr sein und die Anordnungen des Vorstehers nicht mehr respektieren wolle. Als er im gleichen Jahr kinderlos starb, vermachte er sein Wohnhaus (Huttenstraße 167) der jüdischen Gemeinde Bruchsal als Rabbinerwohnung, wozu es bis zum Dritten Reich diente. Die im Dachstock von Süßel eingerichtete Synagoge blieb in ihrer ursprünglichen Gestalt erhalten. Dem Willen des Stifters gemäß wurde auch nach der Erbauung einer richtigen Synagoge bis in die 30er-Jahre jährlich zweimal Gottesdienst darin gehalten. Das Haus wurde durch Kriegseinwirkung zerstört.

Seit 1798 war Pelta Epstein aus Offenbach Rabbiner in Bruchsal. Er war lange Jahre Talmudlehrer an der Model'schen Stiftung in Karlsruhe. Mit seinem Schwager Hirsch Moses Wormser leitete er eine hebräische Buchdruckerei, zuerst in Rastatt, später in Karlsruhe, die Gebetbücher und Bibelausgaben herausgab. In seine Amtszeit fällt der Bau der ersten Synagoge (1802). 140.000 Mark brachte die Gemeinde für einen Neubau auf, der 1880 an ihrer Stelle errichtet und 1881 eingeweiht wurde. 1922 wurde sie im Innern völlig renoviert. Die großen Wand- und Deckengemälde stammten von dem Kunstmaler Leo Kahn. In der neuen Männerstrafanstalt Bruchsal ist 1849 eine Synagoge eingerichtet worden, deren erster Geistlicher der Bezirksrabbiner Präger wurde.

1827 wurde Bruchsal Sitz des Bezirksrabbiners für die Gemeinden Bad Mingolsheim, Bruchsal, Eichtersheim, Graben, Heidelsheim, Malsch, Michelfeld, Obergrombach, Odenheim, Östringen, Philippsburg, Untergrombach und Weingarten, zeitweilig auch für Jöhlingen.

Die Toten wurden bis 1632 in Worms begraben, danach auf dem neuerrichteten Judenfriedhof in Obergrombach. Im 19. Jahrhundert legte die jüdische Gemeinde in Bruchsal einen eigenen Friedhof neben dem christlichen an. Ein rituelles Bad wurde bis ins 19. Jahrhundert in der Stadtgrabenstraße benützt.

Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts besaßen die Bruchsaler Juden großen wirtschaftlichen Einfluss in der Stadt. So war z. B. bis 1933 der Tabak- und Hopfengroßhandel fast ausschließlich in ihrer Hand. Ebenso betrieben die Juden eine Reihe industrieller Unternehmen. Die Schwächung der Bruchsaler Position als Handelsstadt, die bereits vor dem Ersten Weltkrieg spürbar wurde, fand auch in der Abnahme der jüdischen Bevölkerung seit etwa 1885 ihren Niederschlag. 1825 waren hier 178, 1875 609, 1887 752, 1895 743, 1900 741, 1925 603 und 1933 501 Juden ansässig. Im Ersten Weltkrieg starben 16 Juden aus Bruchsal den Soldatentod.

Der wirtschaftliche Wohlstand der jüdischen Gemeinde im 19. Jahrhundert kam durch die Tätigkeit zahlreicher Wohltätigkeitsvereine auch den Armen zugute. 1879 wurde die Chewra Kaddischa gegründet zur Unterstützung Hilfsbedürftiger und Bestattung Armer. Ein Armenverein diente der Wanderfürsorge. Familienfürsorge, Kranken- und Wöchnerinnenfürsorge sowie Holz-, Kohlen- und Ausbildungsbeihilfen gewährte der 1872 gegründete Isr. Frauenverein e. V. Eine Art Krankenkasse war der bereits 1840 gegründete Kranken- und Wohltätigkeitsverein, der freie ärztliche und zahnärztliche Behandlung, Arznei- und sonstige medizinische Hilfsmittel gewährte. Der Wohltätigkeitsverein Gemilut Chasodim diente der Unterstützung hilfsbedürftiger Mitglieder. 1888 wurde der Landeswaisenverein für Baden in Bruchsal gegründet, der die Erziehung unbemittelter Waisenkinder finanzierte. Der Armenunterstützung dienten verschiedene Landesund Ortsstiftungen. Eine Koordinierung der Tätigkeit dieser vielen Vereine strebte der 1906 ins Leben gerufene Israelitische Wohltätigkeitsrat an.

Das kulturelle und gesellige Leben förderten der Synagogenchorverein, der Verein für jüdische Geschichte und Literatur, der jüdische Frontkämpferbund, der jüdische Jugendbund und der Centralverein. Die zionistische Vereinigung zählte 1936 in Bruchsal 55 Mitglieder.

Das Konskriptionsgesetz von 1808 enthielt für die Juden des Großherzogtums die Verpflichtung, für jeden durch das Los gezogenen jüdischen Militärpflichtigen 400 Gulden zu bezahlen, die nicht jeder einzelne, sondern die Gemeinden aufzubringen hatten. Die Juden von Bruchsal gründeten 1811 für sich eine „Werbekasse", die spätere „Milizenkasse", die zur Aufbringung der Loskaufsumme oder zur Unterstützung eines den Militärdienst persönlich ableistenden Juden bestimmt war. Die Kasse bestand auch weiter, als im Laufe des 19. Jahrhunderts die allgemeine Wehrpflicht ohne Loskaufmöglichkeit eingeführt wurde. 1908 konnte der Verein eine Stiftung von 5.000 Mark machen.

Um 1933 waren 3 jüdische Rechtsanwälte, 2 Gymnasialprofessoren, 1 Handelsschul- und 1 Volksschullehrer in Bruchsal tätig. Die 3 jüdischen Ärzte behielten als Frontkämpfer auch nach 1933 die Zulassung zu den Krankenkassen. 1938 wurde ihnen die Approbation entzogen. An jüdischen Unternehmen gab es zu Beginn des Dritten Reiches 12 Zigarrenfabriken, 11 Rohtabakgroßhandlungen, 4 Tabakagenturen, 5 Malzfabriken, 1 Herdfabrik (Josef Falk), 1 Farbfabrik (Gebr. Katzauer), 1 Branntwein- und Essigfabrik (Hirsch & Lichter), 1 Wellpappenfabrik (Weil GmbH), 1 Bankgeschäft, 2 Handelsagenturen, 1 Warenhaus (Geschw. Knopf) und eine Vielzahl von Geschäften aller Handelszweige.

Das Verhältnis der Juden zur christlichen Stadtbevölkerung war gut. Juden waren im Stadtrat, im Bürgerausschuss und im Kreisrat in Bruchsal vertreten. Sie unterstützten durch ihre Mitgliedschaft insbesondere das Rote Kreuz sowie Gesang-, Turn- und Sportvereine. Die christlichen karitativen Einrichtungen, hauptsächlich die katholischen und evangelischen Krankenschwestern, wurden von ihnen gefördert. Namentlich in der Blütezeit der Bruchsaler Karnevalsgesellschaft um die Jahrhundertwende nahmen die Juden an den Karnevalsveranstaltungen regen Anteil. Juden waren auch der Verfasser des Liedes vom „Brusler Dorscht", Otto Oppenheimer, und der Großherzogliche Oberbaurat Fritz Hirsch, der in den Jahren 1900 bis 1909 die Renovierung des Schlosses leitete. Im ganzen Land Baden und darüber hinaus wegen seiner Liebestätigkeit geschätzt war der im September 1933 verstorbene Jakob Oppenheimer. Er war Vorsitzender des erwähnten Landeswaisenvereins und leitete im Winter 1932/33 die Städtische Nothilfe. Trotz der Judenhetze im ganzen Land erhielt er ein Ehrenbegräbnis und zahlreiche Nachrufe von jüdischer und christlicher Seite. Zwischen 1925 und 1933 wurde die stark dezimierte Gemeinde Heidelsheim der Bruchsaler jüdischen Gemeinde als Filiale angeschlossen.

Die nationalsozialistische Hetze richtete sich zunächst gegen weniger beliebte Juden, so 1934 gegen den Inhaber der Papierfabrik Weil. Das städtische Schwimm- und Sonnenbad durften die Juden ab Mai 1934 nicht mehr betreten. Für die jüdischen Schüler aus Bruchsal und Umgebung wurde 1936 eine eigene Schule eingerichtet. In den frühen Morgenstunden des 10. November 1938, zwischen 4.30 und 6.00 Uhr, wurde die Synagoge von unbekannten Tätern bis auf die Grundmauern niedergebrannt. SA-Leute zertrümmerten die Schaufenster jüdischer Geschäfte. Die ersten Deportationen erfassten 1938 eine tschechische und mehrere polnische jüdische Familien.

Am 22. Oktober 1940 wurden aus Bruchsal 79 Juden nach Gurs deportiert. Etwa die Hälfte von ihnen konnte befreit werden oder überlebte in einem Lager in Frankreich. 12 Personen starben in einem französischen Lager, und ungefähr 30 Personen sind in Auschwitz oder einem anderen Vernichtungslager im Osten ums Leben gekommen. Unter ihnen befand sich der seit 1911 amtierende Bezirksrabbiner Dr. Siegfried Grzymich mit seiner Ehefrau. Von den Juden, die nach dem 22. Oktober 1940 in ihrer Heimatstadt zurückblieben, wurden 1942 3 nach lzbica und weitere 3 nach Theresienstadt deportiert. Von 4 Verschleppten ist das letzte Deportationsziel unbekannt. 1942 starb Simon Sandler im KZ Buchenwald, 1944 Hermann Reuter im KZ Dachau und 1945 Max Heinsheimer im KZ Bergen-Belsen. Insgesamt haben ungefähr 50 Juden aus Bruchsal in der Verfolgung das Leben verloren. 4 in Mischehen verehelichte Frauen blieben unbehelligt.

Nahezu vier Fünftel der Bruchsaler Juden gelang die Auswanderung. Sie haben vornehmlich in den USA, in Palästina, England, Frankreich, Argentinien, Südafrika, Australien und in der Schweiz eine neue Heimat gefunden. Auf dem ehemaligen Synagogenplatz in der Friedrichstraße 78 steht heute das städtische Feuerwehrhaus. An die große jüdische Gemeinde erinnert nur noch der Friedhof auf einer Anhöhe am Rande der Stadt.

 

In dieser Studie nachgewiesene Literatur

  • Feigenbutz, Leopold, Der Amtsbezirk Bruchsal, 1891.

  • Heimat und Arbeit, Der Kreis Bruchsal, 1962.

  • Stocker, Fr. Ludwig, Der Großherzogliche Badische Amtsbezirk Bruchsal, 1883.

 

Zitierhinweis: Hundsnurscher, Franz/Taddey, Gerhard: Die jüdischen Gemeinden in Baden, Stuttgart 1968, Beitrag zu Bruchsal, veröffentlicht in: Jüdisches Leben im Südwesten, URL: […], Stand: 20.12.2022

 

Lektüretipps für die weitere Recherche

  • Badische Synagogen, hg. Franz-Josef Ziwes, Karlsruhe 1997, S. 62-65.
  • Germania Judaica, Bd. 2, 1. Teilband, hg. von Zvi Avneri, Tübingen 1968, S. 135f.
  • Germania Judaica, Bd. 3, 1. Teilband, hg. von Arye Maimon/Mordechai Breuer/Yacov Guggenheim, Tübingen 1987, S. 173f.
  • Hahn, Joachim/Krüger, Jürgen, „Hier ist nichts anderes als Gottes Haus...“. Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen, hg. von Rüdiger Schmidt (Badische Landesbibliothek, Karlsruhe) und Meier Schwarz (Synagogue Memorial, Jerusalem), Stuttgart 2007.
  • Hammer-Schenk, Harold, Synagogen in Deutschland. Geschichte einer Baugattung im 19. und 20. Jahrhundert, 2 Bände, Hamburg 1981.
  • Hartmann, Dagmar, Die ehemalige Synagoge in Bruchsal aus kunsthistorischer Sicht, Heidelberg 1998.
  • Haus, Alixua Kira, Bruchsal und der Nationalsozialismus. Geschichte einer nordbadischen Stadt in den Jahren 1918-1940 (Veröffentlichungen der Historischen Kommission der Stadt Bruchsal, Band 19), 2001.
  • Konrad Exner-Seemann, Die Deportation Bruchsaler Juden in das Vernichtungslager Gurs, in: Badische Heimat 2, 2002.
  • „Nicht vergessen – Synagoge Bruchsal: 1881 – 1938“, interaktive Begegnung mit einem Stück Bruchsaler Geschichte. Ein Projekt des Gymnasiums St. Paulusheim, Bruchsal 2000.
  • Oberbeck, Reiner, Die Synagoge Bruchsal 1881-1938, in: Badische Heimat 2, 2002.
  • Oppenheimer - Eine jüdische Familie aus Bruchsal. Spuren - Geschichte – Begegnungen, hg. von Thomas Adam/Thomas Moos/Rolf Schmitt (Veröffentlichungen zur Geschichte der Stadt Bruchsal, Band 25), Ubstadt-Weiher 2012.
  • Rosenthal, Berthold, Heimatgeschichte der badischen Juden, Bühl (Baden) 1927.
  • Rott, Hans, Die Kunstdenkmäler des Amtsbezirks Bruchsal, in: Die Kunstdenkmäler des Großherzogtums Baden IX,2, 1913.
  • Stude, Jürgen, Geschichte der Juden im Landkreis Karlsruhe, Karlsruhe 1990.
  • Stude, Jürgen, Geschichte der Juden in Bruchsal (Veröffentlichungen zur Geschichte der Stadt Bruchsal Band 23), 2007.
  • Twiehaus, Christiane, Synagogen im Großherzogtum Baden (1806-1918). Eine Untersuchung zu ihrer Rezeption in den öffentlichen Medien (Schriften der Hochschule für jüdische Studien Heidelberg), Heidelberg 2012, S. 212-217.
  • Weiss, Elmar, Der Gerechte lebt durch seine Treue (Veröffentlichungen des Vereins zur Erforschung jüdischer Geschichte im tauberfränkischen Raum), Bd. 3, 1996.
  • Württemberg - Hohenzollern – Baden (Pinkas Hakehillot. Encyclopedia of Jewish Communities from their foundation till after the Holocaust), hg. von Joseph Walk, Yad Vashem/Jerusalem 1986, S. 274-277.
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