Mosbach mit Hochhausen am Neckar

Die Synagoge in Mosbach, vor 1938. Die Synagoge wurde während der Pogrome im November 1938 durch Inbrandsetzung zerstört, die Ruine kurz darauf abgebrochen. [Quelle: Landesarchiv BW, HStAS EA 99/001 Bü 305 Nr. 1962]
Die Synagoge in Mosbach, vor 1938. Die Synagoge wurde während der Pogrome im November 1938 durch Inbrandsetzung zerstört, die Ruine kurz darauf abgebrochen. [Quelle: Landesarchiv BW, HStAS EA 99/001 Bü 305 Nr. 1962]

Dieser Beitrag stammt aus der Studie von Franz Hundsnurscher und Gerhard Taddey, Die jüdischen Gemeinden in Baden. Denkmale, Geschichte, Schicksale, hg. von der Archivdirektion Stuttgart (Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg 19), Stuttgart 1968.

Die Studie wird hier in der Originalfassung als Volltext zugänglich gemacht und separat bebildert. Inhalte und Sprachgebrauch entsprechen dem Stand von 1968. Weitere Informationen zur Entstehung und Einordnung der Studie finden Sie hier.

Die ehemalige freie Reichsstadt Mosbach war 1410-1499 Residenz einer pfälzischen Nebenlinie und bis 1803 kurpfälzische Oberamtsstadt. 1803 bis 1806 gehörte sie zum neu gebildeten Fürstentum Leiningen und fiel 1806 an Baden.

Die ersten jüdischen Ansiedler in Mosbach wurden 1298 bei der Verfolgung durch die Horden des Ritters Rindfleisch getötet. Zusammen mit Neckarelz, Lauda, Tauberbischofsheim und Wertheim gehörte Mosbach zu den sogenannten „hado-mim" (Blutstädten). 1343 kam es wegen einer angeblichen Hostienschändung zu einer neuen Verfolgung der Juden in Mosbach. Zur Zeit des Schwarzen Todes 1348/49 wurde die jüdische Gemeinde zum dritten Male innerhalb eines halben Jahrhunderts heimgesucht. 1381 sind wieder Juden in Mosbach ansässig. 1387 nahm Kurfürst Ruprecht I. (1353-1390) Drostelin von Mosbach in den Schutz auf. 1471 werden die Juden Isak und Guntracht erwähnt. Während des 16. Jahrhunderts blieb die Zahl der Juden gering. 1674 saßen Liebmann, Joseph und Isaac hier in Schutz. Sie litten gleich den Bürgern an den ungünstigen Zeiten; ihre Rückstände an Rekognitionsgeldern betrugen zusammen 100 Gulden.

Obwohl sich noch im Jahre 1714 der Mosbacher Stadtrat, gestützt auf die städtischen Privilegien, gegen die Anordnung des Oberamts geweigert hatte, mehr als zwei bis drei Judenfamilien in die Stadt aufzunehmen, und obwohl es keinem Juden erlaubt war, ein Haus an einer Straße zu kaufen oder zu bewohnen, ist im 18. Jahrhundert ein rasches Wachstum der jüdischen Gemeinde festzustellen. 1722 zählte sie 8 Familien, 1743 16, 1773 19. 1825 zählte die Stadt 100 jüdische Einwohner, 1865 190, 1875 189, 1884 192, 1900 161, 1925 159 und 1933 134. Drei Juden aus Mosbach, Adolf Held, Hugo Siegel und Moritz Stein, starben im Ersten Weltkrieg den Soldatentod.

Ein „Judenkirchhof" (Friedhof) außerhalb der Stadt ist schon 1559 genannt. Die Synagoge stammt erst aus der Zeit um 1860. Vorher wurde der Gottesdienst in einem Betsaal gehalten. Von etwa 1830 bis zur Aufhebung der Konfessionsschulen im Jahre 1876 fand der Unterricht der jüdischen Kinder in einer eigenen Volksschule statt. Seit 1827 war Mosbach Sitz eines Bezirksrabbiners, der die israelitischen Gemeinden Billigheim, Binau, Eberbach, Großeicholzheim, Heinsheim, Hochhausen, Kleineicholzheim, Mosbach, Neckarzimmern, Neudenau, Stein am Kocher, Strümpfelbrunn und Zwingenberg, seit 1886 auch noch die israelitischen Gemeinden der Rabbinatsbezirke Merchingen und Wertheim zu versorgen hatte. Der hervorragendste Mosbacher Rabbiner war Dr. Leopold Löwenstein, Verfasser mehrerer Werke zur Geschichte der Juden in Baden. Er wurde von der Stadt Mosbach zu ihrem ersten Ehrenbürger ernannt. Ein Israelitischer Frauen und ein Männerverein nahmen die Unterstützung Hilfsbedürftiger wahr. Da vor allem die geistige Not der Israeliten der zerstreuten Landgemeinden sehr groß war, wurde 1932 eine Kommission zur Förderung des geistigen Lebens in den jüdischen Landgemeinden für den Rabbinatsbezirk Mosbach gegründet, die in den folgenden Jahren Vorträge geschichtlichen und aktuellen Inhalts sowie musikalische und andere künstlerische Darbietungen veranstaltete.

Seit Jahrhunderten lebten die Mosbacher Juden hauptsächlich vom Handel mit Vieh, Wein, Getreide und Salz. 1599 verbot der Rat den Bürgern, mit Juden zu handeln. Seit dem 18. Jahrhundert nahm der wirtschaftliche Einfluss der Juden stark zu. 1725 und später noch mehrmals bemühte sich die Stadt, ein Verbot zu erwirken, das den Juden den Handel mit Wein und Lebensmitteln untersagte. Zunächst hatte sie Erfolg; doch bald musste das Verbot wieder aufgehoben werden, weil die Nachbarorte ihren Wein nicht mehr verkaufen und infolgedessen ihre Steuern nicht entrichten konnten. 1782 übernahm eine jüdische Handelsgesellschaft die allerdings nicht sehr ertragreiche Salzproduktion der 1756 bei Mosbach entdeckten Saline. Emanzipation und Gewerbefreiheit ermöglichten im 19. Jahrhundert das Aufblühen jüdischer Fabriken und Geschäfte. Vor 1933 bestanden in Mosbach die Zigarrenfabrik Leopold Blum, eine Brauereiartikelfabrik, ferner zwei Weinhandlungen, zwei Getreide- und Mehlhandlungen, die Kaufhäuser Held und Dilsheimer, vier Textilwarengeschäfte, zwei Spezialgeschäfte für Schreiner- und Glaserbedarf, ein Lederwarengeschäft, ein Lebensmittelgeschäft, eine Warenhandlung, eine Öl- und Fetthandlung sowie die Schnapsbrennerei David Rothschild. Acht Juden trieben Viehhandel, zwei Pferdehandel. Josef Eisemann und Hermann Bamberger führten koschere Metzgereien. Bamberger war zugleich Inhaber des Gasthauses „Zur Traube". Das Kürschnerhandwerk übte Falk Färber aus. Michael Hanauer besaß eine Rechtsanwaltspraxis. Julius Held war Kunsthistoriker. Vor 1933 gab es auch noch eine jüdische Arzt- und eine Zahnarztpraxis.

Seit der Emanzipation der Juden im 19. Jahrhundert und noch während der Weimarer Republik lebten in Mosbach Juden und Christen friedlich miteinander. Ein Jude war jeweils im Gemeinderat. Bald nach Hitlers Machtübernahme wurde jedoch die Judenfeindlichkeit spürbar. Am Boykottag, dem 1. April 1933, standen SA-Leute und Hitlerjungen in Uniform vor den jüdischen Geschäften, um die Kunden vom Einkauf abzuhalten. Verhältnismäßig viele jüdische Geschäftsinhaber erkannten frühzeitig, wie hoffnungslos für sie die Lage war. Ab 1936 verkauften sie allmählich ihre Geschäfte und wanderten vornehmlich nach den USA (ca. 40), nach Holland, Palästina, Frankreich, England und Uruguay aus. Am 10. November 1938 befanden sich nur noch die Schreinereibedarfshandlung Berthold Hahn und die Weinhandlung Louis Frank in jüdischem Besitz. Sie wurden an diesem Tag von Angehörigen des Mosbacher SS-Zuges gründlich demoliert. Desgleichen wurde das Inventar der Synagoge zerschlagen, auf dem Marktplatz aufgeschichtet und in Anwesenheit der Schulkinder verbrannt. Gegen Mittag ging die Synagoge in einem kleinen Seitengäßchen gegenüber dem Rathaus in Flammen auf. Die noch anwesenden jüdischen Männer wurden für einige Wochen in das KZ Dachau verbracht, darunter der Bezirksrabbiner Julius Greilsheimer, der erst kurz vorher aus dem Krankenhaus entlassen worden war. In den nächsten Tagen nach der Kristallnacht wurden die Mauern der zerstörten Synagoge abgetragen und der Platz dem Erdboden gleichgemacht. Auf dem jüdischen Friedhof wurden in den folgenden Jahren wiederholt Grabmäler geschändet. Am 1. September 1939 lebten in Mosbach nur noch 18 Juden. Am 22. Oktober 1940 wurden 13 jüdische Einwohner nach Gurs deportiert. Nur 2 von ihnen überlebten die Jahre der Verfolgung; 3 starben in Lagern in Südfrankreich, 8 wurden in Vernichtungslagern im Osten umgebracht. Von den Juden, die nach 1933 von Mosbach weggezogen waren, kamen 7 und von denen, die ausgewandert waren, 13 in Konzentrationslagern um. Unter ihnen befand sich der Bezirksrabbiner Julius Greilsheimer. 1939 war er nach Holland ausgewandert. 1944 wurde er mit seiner damals schwangeren Frau und seinen beiden Töchtern über das KZ Westerbork nach Auschwitz verschleppt, wo die ganze Familie ermordet wurde.

Seinem Andenken und dem Andenken der übrigen in der Deportation ermordeten Mosbacher Juden wurde 1947 in Gan Jiskor/Israel ein Hain von 100 Bäumen gepflanzt.

Hochhausen am Neckar war vor dem Anfall an Baden 1803 als Besitz der Familie von Heimstatt dem Schwäbischen Ritterkreis inkorporiert.

Über die jüdische Gemeinde, die 1825 113 Seelen zählte und damit 18 Prozent der Einwohner des Dorfes stellte, ist wenig bekannt. Bald nach der Mitte des vorigen Jahrhunderts sank mit der Zahl der Einwohner überhaupt auch die der Juden rasch ab. 1875 waren es noch 46, 1900 44, 1905 34, 1910 nur noch 17. Am 5. Juli 1913 wurde deshalb die jüdische Gemeinde aufgelöst und die restlichen Mitglieder der Gemeinde Mosbach zugewiesen. Dort befand sich auch seit 1827 der zuständige Rabbinatssitz. 1925 lebte noch ein Jude in Hochhausen. Im jüdischen Gemeindehandbuch von 1933 wird irrtümlich auch Hochhausen als selbständige Gemeinde genannt. Die Volkszählung vom Juni 1933 weist jedoch keinen Juden im Ort mehr nach.

In dieser Studie nachgewiesene Literatur

  • Lang, Theophil, Die Hauptstadt der kleinen Pfalz, Bilder aus der Vergangenheit des zwölfhundertjährigen Mosbach, 1936. 
  • Renz, Jakob, Chronik der Stadt Mosbach, 1936. 
  • Wirth, Hermann, Die Stadt Mosbach, in: Badenia 1, 1864.

Zitierhinweis: Hundsnurscher, Franz/Taddey, Gerhard: Die jüdischen Gemeinden in Baden, Stuttgart 1968, Beitrag zu Mosbach, veröffentlicht in: Jüdisches Leben im Südwesten, URL: […], Stand: 20.12.2022

Lektüretipps für die weitere Recherche

  • „Als die Synagogen brannten...“, in: Landkreis Mosbach, Informationsdienst für Kommunalpolitik, Wirtschaft und Kultur 20 (1963), S. 5.
  • Germania Judaica, Bd.2, 2. Halbband, hg. von Zvi Avneri, Tübingen 1968, S. 548f.
  • Germania Judaica Bd.3, 2. Teilband, hg. von Arye Maimon/Mordechai Breuer/Yacov Guggenheim, Tübingen 1995, S. 884-885.
  • Hahn, Joachim/Krüger, Jürgen, „Hier ist nichts anderes als Gottes Haus...“. Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen, hg. von Rüdiger Schmidt (Badische Landesbibliothek, Karlsruhe) und Meier Schwarz (Synagogue Memorial, Jerusalem), Stuttgart 2007.
  • Herter, Balduin, Die Judengemeinde von Mosbach 1297 bis 1940, in: Mosbach im 3. Reich, 4. Heft, hg. von Große Kreisstadt Mosbach, 2008.
  • Landauer, Rudolf/Lochmann, Reinhart, Spuren jüdischen Lebens im Neckar-Odenwald-Kreis, hg. von Landratsamt NOK, Buchen 2008.
  • Mitteilungen der städtischen Sammlungen Mosbach 6 (1974), S. 5-6.
  • Runow, Martin, Die Stiftung eines Capitals … zur Errichtung eines Rabbinats zu Mosbach, in: Der Odenwald 44 (1997), S. 60-68.
  • Württemberg - Hohenzollern – Baden (Pinkas Hakehillot. Encyclopedia of Jewish Communities from their foundation till after the Holocaust), hg. von Joseph Walk, Yad Vashem/Jerusalem 1986, S.399-402.
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