Handwerksordnungen
Auch in der Sammlung der Handwerksordnungen des Herzogtums Württemberg aus dem Jahr 1758 war die Zeugmacherei mit einer eigenen Ordnung vertreten [Quelle: Universitätsbibliothek Württemberg]
Sogenannte Zeugmacher waren spezialisierte Tuchmacher, die aus gekämmter Schafwolle leichte Stoffe herstellten. Vor allem Calw war ein Zentrum der Zeugmacherei. Obwohl das Städtchen abseits der großen Verkehrswege lag, entwickelte sich dort mit der Calwer Zeughandlungskompagnie das größte gewerbliche Unternehmen Altwürttembergs. Wolltuchmacher gab es in Calw und im ganzen nördlichen Schwarzwald schon im 15. und 16. Jahrhundert. Die erste württembergische Tuchordnung wurde 1510 für die Stadt Calw erlassen. Der relativ karge Boden der Gegend und eine gewisse Überbevölkerung begünstigten die Entwicklung eines solchen in der Form der Heimarbeit betriebenen Gewerbes. 1582 gab es 36 Webermeister in Calw, die sich auf die Herstellung von Engelsait (hierbei handelt es sich um eine Verballhornung von Englisch Satin), einem glatten, nicht gewalkten, langhaarigen Wollgewebe (Zeug), spezialisiert hatten. Nur sechs Jahre später wurden bereits 120 Webstühle für Engelsait allein in Calw gezählt, 1608 war die Zahl der Zeugmacher auf 150 gestiegen. Schnell erschienen die Produkte der Calwer Zeug- und Tuchmacher auf den Messen und Märkten von Basel, Straßburg, Worms, Frankfurt am Main, Würzburg und Nürnberg. Die württembergischen Herzöge Friedrich I. und Johann Friedrich förderten das neue Gewerbe entschieden, und dieses Wohlwollen des herzoglichen Hauses gegenüber der Calwer Zeugmacherei erhielt sich bis tief ins 18. Jahrhundert hinein. Das rapide Wachstum des neuen Gewerbezweiges machte eine Neuregelung der Produktions- und Vertriebsverhältnisse erforderlich und die Zeugmacher wurden 1611 auf die reine Weberei beschränkt, wohingegen die Färber, die mit dem von der Mode abhängigen und sich ständig wandelnden Bedarf eher vertraut waren, im Handel tätig blieben. Doch der Wechsel der Mode zugunsten von einfachen Baumwollgeweben und die napoleonischen Kriege führten schließlich zum Niedergang der Zeughandelskompagnie und deren Auflösung im Jahr 1797. Fast 200 Jahre lang hat die Calwer Gesellschaft als größte Exportfirma bis zum Ende der altwürttembergischen Zeit in verschiedenen Formen das Wirtschaftsleben Altwürttembergs mitgeprägt.

Mit der Industrialisierung und der Verbreitung modernerer Maschinen, Materialien und Chemikalien verloren sich diese feinen Unterscheidungen in der Bezeichnung der Handwerker und der Färbung von Stoffen.

Mehr über die die Calwer Zeughandlungskompagnie erfahren Sie auch im Historischen Atlas Baden-Württemberg und im ausführlichen Beiwort zur Karte 11,3 von Peter Eitel. (JH)

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Cäsar von Hofacker, Quelle Landesarchiv BW, HStAS M 709 Nr. 671
Cäsar von Hofacker, Quelle Landesarchiv BW, HStAS M 709 Nr. 671

Cäsar von Hofacker gehörte zu den Beteiligten am Attentat auf Adolf HItler am 20. Juli 1944. Zusammen mit Carl-Heinrich von Stülpnagel sollte er von Paris aus die Situation in Frankreich koordinieren. Am 25. Juli wurde Hofacker verhaftet und nach Berlin gebracht, rund einen Monat später folgte das Todesurteil des Volksgerichtshofs, das am 20.12.1944 in Berlin-Plötzensee vollstreckt wurde.

Hofacker wurde am 11. März 1896 in Ludwigsburg als Sohn einer Offiziersfamilie geboren. Er hatte als Freiwilliger am Ersten Weltkrieg teilgenommen. Der einzige Bruder fiel 1917 bei Verdun. Das Kriegsende sowie die beiden folgenden Jahre verbrachte Hofacker in französischer Gefangenschaft. Nach der Entlassung folgte das Jura-Studium in Tübingen und Göttingen sowie die Promotion. Stationen bei der Handelskammer in Reutlingen, dem Verband der deutschen Seidenindustrie in Krefeld und die Tätigkeit bei den Vereinigten Stahlwerken in Berlin schlossen sich an.

Hofacker stand der nationalsozialistischen Ideologie zunächst positiv gegenüber und hoffte auf eine verbesserte Stellung Deutschlands. Sein Weg in den Widerstand verlief nicht geradlinig, wie sein Sohn Alfred viele Jahre später feststellte. 1974, nach dem Tod der Ehefrau und Mutter llse-Lotte, wurden Aufzeichnungen aus den 1920er und 30er Jahren mit antisemitischem und antidemokratischem Inhalt gefunden, die ihn seinen Vater in einem weniger heldenhaften, widersprüchlichen aber auch menschlicheren Licht erscheinen ließen. Ab 1931 gehörte Hofacker dem Stahlhelm an. Mit Ausbruch des Zweiten Weltkriegs folgte die Einberufung. Ab 1940 übernahm er das Referat Eisenschaffende Industrie und Gießereien in der Militärverwaltung Frankreichs.

Als sich 1943 eine Wende im Zweiten Weltkrieg abgezeichnete, war Hofacker durch seine persönlichen Kontakte gut über die Lage unterrichtet. Am 31. Januar 1943 kapitulierte Stalingrad. Ab Mai ging der Atlantik für deutsche U-Boote verloren. Gleichzeitig wurde das Bombardement deutscher Großstädte intensiviert. Es war zu Kriegsverbrechen und Massenmorden gekommen. Zu Hofackers Umfeld gehörten der Studienfreund Fritz-Dietlof Graf von der Schulenburg und Cousin Claus Schenk Graf von Stauffenberg. Umsturzpläne wurden ausgearbeitet. Ab Oktober 1943 wechselte Hofacker, der über Kontakte zum französischen Widerstand verfügte, in den Stab von Carl-Heinrich Stülpnagel, dem Militärbefehlshaber von Paris.

Vom Scheitern des Attentats am 20. Juli 1944 waren nicht nur die direkt Beteiligten betroffen, sondern auch ihre Familien. Pläne der NS-Führung zur Ermordung aller Angehörigen wurden nicht in die Tat umgesetzt. Die jüngeren Kinder, auch die der Familie Stauffenberg, kamen in ein Heim nach Bad Sachsa. Für die älteren Kinder und erwachsenen Angehörigen begann eine Odyssee durch Gefängnisse und verschiedene Konzentrationslager. Für Ilse-Lotte, Eberhard und Anna-Luise bedeutete das eine Verlegung an fortwährend neue Orte, zu denen u.a. das Polizeigefängnis in München sowie die Konzentrationslager Stutthof, Buchenwald und Dachau gehörten, was bis zur Befreiung im April 1945 andauerte. Ein Bombenangriff zu Ostern 1945 verhinderte vermutlich den Abtransport der Kinder aus Bad Sachsa ins KZ Buchenwald. Mutter und Kinder der Familie Hofacker überlebten und fanden im Juli 1945 wieder zusammen.

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 Maueranschlag
Maueranschlag zur Spende von Anzüge [Quelle: Landesarchiv BW, HStAS J 151 Nr 2171]

Heutzutage können wir uns Kommunikation ohne große technische Hilfsmittel kaum mehr vorstellen. Doch wie war es in Zeiten ohne Internet, ohne Fernsehen, ohne Rundfunk möglich sich an die breite Öffentlichkeit zu wenden? Eines der wichtigsten historischen Massenkommunikationsmittel waren sogenannte Maueranschläge. Die Bezeichnung verweist auf das einfache Anbringen der Befehle, Bekanntmachungen, Verbote, Verordnungen, Mahnungen und Warnungen an Mauerwänden, an denen sie für jeden sichtbar und lesbar befestigt wurden. Die große Zeit der Maueranschläge war das 19. und 20. Jahrhundert. Schon im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 erfolgte ein massenhafter Einsatz dieses Kommunikationsmittels. Nicht nur die Form der Verbreitung war schlicht, auch die Plakate selbst waren in der Regel anspruchslos gestaltet. Aufgrund der Kriegssituation stand nur einfaches, oft zeitungsdünnes und qualitativ schlechtes Papier zur Verfügung.

Während des Ersten Weltkriegs nutzten die Militärbehörden die Maueranschläge vor allem in den besetzten Gebieten Belgiens und Frankreichs als Kommunikationsmittel und Propagandainstrument gegenüber der ansässigen Bevölkerung. In der Regel waren sie in Frankreich zweisprachig (deutsch – französisch), in Belgien dreisprachig (deutsch – französisch – flämisch) abgefasst. Inhaltlich dienten sie unter anderem zur Bekanntmachung kriegswirtschaftlicher Maßnahmen wie der Festsetzung von Höchstpreisen, dem Erfassen und Requirieren von militärisch verwertbaren Vorräten und Rohstoffen, zur Meldung der Bestrafung Einheimischer – zum Teil auch ganzer Gemeinden – oder zum Einschärfen erwünschter Verhaltensweisen. Die Bevölkerung der besetzten Gebiete wurde von der Besatzungsmacht angewiesen, die Einhaltung der Sperrstunden, Verdunklungsmaßnahmen oder das Versammlungs- und Streikverbot zu beachten. Je länger der Krieg dauerte, umso mehr schwanden die kriegswichtigen Ressourcen; und umso rigoroser und schärfer wurde auch die Ausbeutung der Erzeugnisse und Rohstoffe in den besetzten Gebieten vorangetrieben, was sich ebenfalls an den Maueranschlägen ablesen lässt.

Neben den in den besetzten Gebieten angebrachten Maueranschlägen gibt es auch eine Vielzahl von Plakaten, die in Deutschland selbst verbreitet wurden wie beispielsweise der hier abgebildete Spendenaufruf aus dem Jahr 1918.

Alle Digitalisate der im Hauptstaatsarchiv verwahrten Maueranschläge können Sie hier finden, alles Wissenswerte zur Quellegattung der Maueranschläge finden Sie in unserem Themenmodul zur Archivalienkunde. (JH)

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 Blase, Therese, SPD
Therese Blase [Quelle: Landesarchiv BW, GLAK 231 Nr. 2937 (834)]

Am heutigen Frauentag erinnern wir an Therese Blase, die beim ersten Internationalen Frauentag am 19. März 1911 in Mannheim neben der Hauptrednerin Clara Zetkin als einzige örtliche SPD-Frau vor das Publikum trat. Damals stand der Frauentag unter dem Motto „Heraus mit dem freien Wahlrecht für die Frauen“.

Der Kampf um das Frauenwahlrecht gehörte zu den zentralen Themen, für die sich Blase vehement einsetzte. Schon 1905 zählte sie zu den Gründerinnen der Frauenabteilung des sozialdemokratischen Vereins, der in Mannheim entstand und später als Frauengruppe der SPD auf ganz Baden ausgeweitet wurde. In ihrer Funktion als 2. Vorsitzende (und später dann Vorsitzende) hielt sie am 1. Mai 1905 im Saalbau eine engagierte Ansprache, in der sie die anwesenden Frauen zum Beitritt aufforderte, „damit endlich auch die Frauen in der Lage seien […], um die Erringung der Menschenrechte zu kämpfen.“

In den Jahren 1910 und 1911 war Blase schließlich Delegierte auf Parteitagen der SPD und wurde 1912 als erste Frau Mitglied des badischen Landesvorstandes ihrer Partei. Als 1919 das aktive und passive Wahlrecht für Frauen endlich eingeführt wurde, stellte Blase sich sofort als Kandidatin zur Verfügung. Die errungenen Mandate für den Mannheimer Bürgerausschuss und für den badischen Landtag konnte sie bis zu ihrem Tod verteidigen; um den Einzug in den Reichstag bewarb sie sich 1919, 1920 und 1924 vergebens. Als die erste SPD Abgeordnete im badischen Landtag erreichte sie aber eine Sonderstellung, die zu einem beachtlichen Bekanntheitsgrad im Lande führte. Blase setzte sich auch außerhalb der engen Parteiarbeit für soziale Themen ein. Von 1912 an arbeitete sie in der Armenkommission im Mannheimer Jugendamt mit, ab 1925 auch in der Krankenhauskommission. Schon vor dem Ersten Weltkrieg war sie Mitinitiatorin eines Ferienprogramms für Arbeiterkinder, das diesen erholsame Ferientage im Grünen ermöglichte. Diese Einrichtung der Kindererholung wurde in den 1920er Jahren von der „Arbeiterwohlfahrt“ übernommen. Viele Jahre fungierte Blase auch als Vorsitzende des Otto-Perl-Bundes, einer Selbsthilfeorganisation für Menschen mit Körperbehinderung.

Im Jahr 1930 starb Therese Blase im Alter von 57 Jahren. (JH)

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Melchior Pfintzing und Hans Schäufelein: […] geschichten des loblichen streytparen vnd hochberümbten helds vnd Ritters herr Tewrdannckhs, Nürnberg, 1517, Kupferstich 21. Quelle Bayerische Staatsbibliothek
Melchior Pfintzing und Hans Schäufelein: […] geschichten des loblichen streytparen vnd hochberümbten helds vnd Ritters herr Tewrdannckhs, Nürnberg, 1517, Kupferstich 21. Quelle Bayerische Staatsbibliothek

Auf der Reise zu seiner Braut Maria von Burgund – die Hochzeit fand 1477 statt - stattete Erzherzog Maximilian von Österreich, ab 1508 Kaiser der Heiligen Römischen Reiches, der Stadt Freiburg im Breisgau einen Besuch ab. Dort geriet er mit seinen Schnabelschuhen beinahe in eine der Schleifmühlen der örtlichen Edelsteinverarbeitung. Die Episode fand Aufnahme in den 1517 veröffentlichten Theuerdank, einen autobiografischen Versroman. Das Ereignis betont die Bedeutung des Wirtschaftszweigs für das Haus Habsburg, der ebenso wie die Betriebe im nahen Waldkirch durch Privilegien gefördert wurde und beide Städte zu Zentren des Gewerbes machte.

Frühe Hinweise finden sich im 14. Jh. im Günterstaler Zinsbuch, wo pallierer in Freiburg und in den heute eingemeindeten Orten Wiehre und Herdern genannt sind. 1415 existierte für die Freiburger ballierknechte eine Bruderschaft der Gesellen, ab 1451 eine Bruderschaft der Bohrer und Ballierer. Noch bedeutender und eine der Haupterwerbsquellen war das Gewerbe im Städtchen Waldkirch. Hier sorgten zahlreiche Mühlen an der Elz für den Antrieb der Schleifscheiben. Mitte des 15. Jh. entstand die Sankt Anna-Bruderschaft von Balierern oder Kristallschneidern. Rund 80 Jahre später zählte Waldkirch etwa 1.000 Einwohner und 40 Meister der Edelsteinverarbeitung. In der Mitte des 16. Jh. gründeten Freiburg und Waldkirch eine gemeinsame Bruderschaft und beendeten die Konkurrenzsituation. Die Steine kamen oft von weither, wie die böhmischen Granate, die nach einem Erlass König Rudolfs II. (1552-1612) nur in Waldkirch verarbeitet werden durften. Selbst nach dem Niedergang im Dreißigjährigen Krieg blühte das Gewerbe hier dank staatlicher Unterstützung wieder auf.

Mit den territorialen Umwälzungen des 19. Jh. und dem Wegfall des Hauses Habsburg verschwanden die meisten Betriebe sowohl in Freiburg als auch in Waldkirch. Ende des 19. Jh. gab es dort nur noch zwei Schleifereien. Eines der letzten Relikte ist die Anlage des ins 18. Jh. zurückreichenden und bis heute erhaltenen Traditionsunternehmens Wintermantel, dessen bauliche und technische Ausstattung ein seltenes Zeugnis der Industrie- und Wirtschaftsgeschichte darstellt.

Zum Weiterlesen:
Die Edelsteinschleiferei Wintermantel. Einzigartiges Zeugnis des Gewerbes, das Waldkirch von 1450 bis 1800 prägte. In: Denkmalpflege in Baden-Württemberg 4 (2020) S. 273-278.

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