Am 17. April 1921 erschien in der Volksstimme, einem Parteiorgan der Mannheimer Sozialdemokraten, ein Artikel von Anna Blos mit dem Titel Die Gleichberechtigung der Geschlechter, in dem sie anprangerte, dass allein mit der Durchsetzung des Frauenwahlrechts noch keineswegs die Gleichberechtigung der Frau erreicht worden war. Anna Blos, die am 4. August 1866 als Anna Berta Antonia Tomasczewska in Liegnitz (Niederschlesien) geboren wurde, engagierte sich zu diesem Zeitpunkt schon lange als sozialdemokratische Politikerin. In den Jahren 1919/20 gehörte sie für die SPD der tagenden Weimarer Nationalversammlung an. Sie war dort die einzige Frau aus ganz Südwestdeutschland. Insgesamt betrug der Anteil weiblicher Abgeordneter zu diesem Zeitpunkt weniger als zehn Prozent.
Ihr Artikel in der Volksstimme liest sich einerseits als historischer Abriss des bereits zurückgelegten Wegs zur Gleichberechtigung von Mann und Frau sowie als Prognose des noch bevorstehenden Wegs zur Gleichstellung. Vor allem aber gilt Die Gleichberechtigung der Geschlechter als Darstellung des Selbstverständnisses der sozialdemokratischen Frauenbewegung.
Auf die Lage der Frau im Jahr 1921 Bezug nehmend beschreibt Anna Blos, dass „sich in ihrer abhängigen Lage wenig geändert hat“ und begründet dies insbesondere mit der „Arbeit im Hause“, da diese „das alte Abhängigkeitsverhältnis wieder mit sich [bringt].“ Mit der Industrialisierung und der gesellschaftlichen Etablierung des kleinbürgerlichen Familienideals verfestigte sich eine geschlechtsspezifische Arbeitsteilung in Form der innerhäuslichen und außerhäuslichen Arbeitsteilung zwischen Frau und Mann. Da „die Arbeit im Hause […] unbezahlte, darum unterschätzte Arbeit [ist]“, trug diese einerseits zu dem einseitigen Abhängigkeitsverhältnis zu Lasten der Frau und andererseits, durch die Abwertung der innerhäuslichen Arbeit beziehungsweise die Aufwertung der außerhäuslichen Arbeit, zu der Ungleichwertigkeit von Frau und Mann bei. Dieses hierarchische Geschlechterverhältnis bestimmte nicht nur den privaten Lebensbereich der Frau, sondern auch ihren öffentlichen Lebensbereich. Hier hat laut Anna Blos' die sozialdemokratisch geprägte geschlechtsspezifische Emanzipationsstrategie anzusetzen. Die Frage, wie Gleichberechtigung erreicht werden kann, beantwortet Anna Blos damals mit der Feststellung: „Zunächst müssen wir uns wohl darüber klar werden, daß Gleichberechtigung keineswegs Gleichartigkeit bedeutet. […] Beide Geschlechter sind unentbehrlich, also sind beide gleich wichtig.“ Demnach verstand Blos unter der Gleichberechtigung der Frau nicht eine vollkommene Gleichheit von Frau und Mann. Viel eher sollte das Ziel der Gleichberechtigung sein, dass die Frau mithilfe spezifisch weiblicher Tätigkeiten in dem privaten und öffentlichen Lebensbereich ihre Persönlichkeit innerhalb ihrer Geschlechtsspezifität weiterentwickelt, um somit in diesen Lebensbereichen die männliche Persönlichkeit zu ergänzen und letztendlich nicht nur die Entwicklung der Frau, sondern die Entwicklung der Menschen überhaupt zu vervollkommnen.
Dieser Ansatz geriet ab Mitte der 1920er Jahre zunehmend in die Kritik, da er Unterschiede eher zementierte und an einer geschlechtsspezifischen Diskriminierung kaum etwas änderte. Vielmehr forderte die SPD später wieder eine Rückbesinnung auf die sozialistische Emanzipationstheorie nach dem Vorbild Clara Zetkins.
Den ausführlichen Artikel zu Anna Blos finden Sie in dem LEO-BW-Themenmodul zur Weimarer Republik. (JH)
Zu den bedeutendsten und schönsten deutschsprachigen Handschriften aus dem Spätmittelalter gehört das „Tübinger Hausbuch", das in der Universitätsbibliothek Tübingen verwahrt liegt. Dabei handelt es sich um ein Iatromathematisches Kalenderbuch, also eine medizinisch-astrologische Schrift. Verfasst wurde die reich illustrierte Handschrift vermutlich in der Mitte des 15. Jahrhunderts im Umkreis des Uracher Hofes Graf Eberhards V. im Bart von Württemberg Urach. Über die konkreten Umstände und Anlässe der Entstehung oder die Verfasser ist kaum etwas bekannt, sicher ist nur, dass die Vielzahl an verarbeiteten Quellen auf die Existenz einer wissenschaftlich ausgerichteten Bibliothek mit leistungsfähigem Scriptorium, also einer Schreibstube, schließen lässt. Im Jahr 1752 gelangte das Tübinger Hausbuch schließlich aus dem Nachlass von Johann Jacob Schmid (Stadtpfarrer in Ebingen) in den Besitz der Universitätsbibliothek. Der Einband wurde in der Kartause Güterstein angefertigt.
Der Begriff des Hausbuchs ist schwer einzugrenzen und in der Forschung umstritten, meistens wird damit jedoch eine Sammelhandschrift beschrieben, die sich vor allem durch die Heterogenität der Inhalte auszeichnet. Gleiches gilt auch für das Tübinger Hausbuch: Auf ein Kalendarium mit verschiedenen Aderlassregeln und Tabellen für astronomisch- astrologische Berechnungen folgt eine Abhandlung über die Tierkreiszeichen und die Tierkreiszeichenkinder mit Prognosen zu Eigenschaften und Schicksalen der unter dem jeweiligen Tierkreis geborenen Menschen. Es folgen umfangreiche Wahrsagelehren (Geomantie bzw. Losbücher) sowie Traktate zur Astronomie und zur mittelalterlichen Planetenlehre. So enthält das Hausbuch in Text und Bild die Summe eines über Jahrhunderte in lateinischen Schriften tradierten astromedizinischen Wissens und astronomisch/geomantischer Kenntnisse, die ursprünglich aus indischen, griechischen und arabischen Quellen übernommen wurden und nun in einer volkssprachlichen Fassung vermittelt werden. In der Forschung wird das Tübinger Hausbuch als eines der letzten umfassenden Zeugnisse in der Volkssprache gewertet, das ein christliches Weltverständnis vermittelt, das auf der starken Vorstellung einer Verbindung von Makro- und Mikrokosmos basiert.
Das Tübinger Hausbuch liegt in vollständig digitalisierter Fassung vor. Viel Spaß beim Stöbern und Entdecken! (JH)
Im Jahr 1091 wurde die Peter und Paulskirche in Hirsau, deren Bau um 1140 mit der Fertigstellung des Westbaus abgeschlossen wurde, eingeweiht. 1692 brannten jedoch drei Viertel des Gebäudebestands innerhalb der Umfassungsmauer in Folge eines von durchmarschierenden französischen Truppen bei St. Peter und Paul gelegten Schadensfeuers nieder. An mittelalterlicher Bausubstanz blieb lediglich der nördliche Turm der Peterskirche, der so genannte Eulenturm, unbeschädigt. Die Ruinen anderer niedergebrannter Gebäude innerhalb der Umfassungsmauern des Klosters wurden in der Folge als Steinbruch genutzt und großenteils abgetragen.
Der Eulenturm mit einer Höhe von 37 Metern und drei übereinander liegenden Doppelarkadenfenstern gehört noch heute zu den Wahrzeichen des Klosters Hirsau. Seinen Namen verdankt der Turm den unter dem Dach nistenden Eulen. Ein besonderes Merkmal des Turmes, das in der Vergangenheit zu vielen Spekulationen führte, ist der romanische Figurenfries. Die Eckfiguren stellen liegende Löwen oder Panther dar, die dem Betrachter zähnefletschend entgegen schauen, zwischen ihnen sind Ziegenböcke und bärtige Männergestalten erkennbar. Bis heute ist die Bedeutung dieser Figuren nicht eindeutig geklärt. Eine Vermutung ist aber, dass es sich dabei um die Darstellung des Lebensbogen eines Laienbruders, eines sogenannten Bärtlings, handelt. Traditionell waren Mönche lesekundige Mitglieder der Oberschicht, also Adelige. Hirsau aber bot auch Männern aus niederem Stand, die sich für das Klosterleben entschieden hatten und nach 1079 vermehrt vor den Toren des Klosters Hirsau standen, Aufnahme. Anders als Adelige, waren sie unrasiert und konnten meist nicht lesen. Von dieser Tatsache her rührt die Bezeichnungen „Bekehrte“, „ Bärtlinge“ oder „Analphabetische“ (fratres conversi, barbati oder illiterati). Sie wurden nicht geweiht, waren von den meisten täglichen Gottesdiensten befreit und verrichteten körperliche Arbeiten. Die Bärtlinge hielten das Kloster als Wirtschaftsbetrieb am Laufen, indem sie vor allem die praktische Arbeit in Werkstätten und auf den Feldern leisten. Laienbrüder übernahmen damit die Arbeit und die Funktion der klassischen "Klosterknechte". Diese Hirsauer Eigenart des Laienbrüderwesens wurde von anderen Klöstern zunächst stark kritisiert. So veröffentlichte beispielsweise das Kloster Lorsch im Jahr 1111 eine Schmähschrift gegen die Laienbrüder. Doch über die Jahrhunderte hinweg setzte sich die Laienbruderschaft durch und veränderte in ganz Europa das Klosterleben.
Mehr über das Hirsauer Kloster erfahren Sie auf der Seite der Klosterdatenbank Baden-Württemberg. (JH)
Die Papageienhaltung hat jedoch auch dazu geführt, dass heute einige Papageienarten in Europa in der Vogelfachwelt als „eingebürgert bzw. heimisch“ beurteilt werden. Ein Beispiel dafür ist die freilebende Neozoen-Population (so werden Arten bezeichnet, die sich mit menschlicher Einflussnahme in einem Gebiet etabliert haben, in dem sie zuvor nicht heimisch waren) von Gelbkopfamazonen in Stuttgart. Normalerweise lebt diese vom Aussterben bedrohte Papageienart in Zentral- und Südamerika. Doch seitdem eine im Jahr 1984 entflogenen und eine im Jahr 1985 ausgewilderte Gelbkoppfamazone die erste Brut mit drei Jungvögeln in Stuttgart großzog, konnte sich dauerhaft eine Population von Gelbkopfamazonen ansiedeln. Heute umfasst diese einzigartige Population bereits 50 bis 60 Tiere. Dass sich die Amazonen dabei ausgerechnet den Stadtbezirk Bad Cannstatt als ihren Lebensmittelpunkt gewählt haben, liegt vor allem am milden Klima, Cannstatt gilt als einer der wärmsten Orte in ganz Deutschland, was auch andere seltene Vogelarten schätzen.
Nahrung finden die Papageien im ganzen Stuttgarter Stadtgebiet, sie fressen vor allem Früchte, Samen, aber auch Teile giftiger Arten wie Efeu oder Eibe. Insgesamt wurden in Stuttgart 63 Pflanzenarten ausgemacht, die den Amazonen als Nahrung dienen. Zahlreiche Ornithologinnen und Ornithologen kommen extra nach Stuttgart, um die exotischen Vögel zu beobachten, insbesondere im Winterhalbjahr, wenn die standorttreuen Vögel auf ihre Schlafbäume rund um den Cannstatter Wilhelmsplatz einfliegen. Mehr zu den berühmten Stuttgarter Papageien finden Sie auf der Seite des BUND. (JH)
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